Rz. 61

 

Beispiel 2

Der Sachverhalt lautet im Wesentlichen wie in Beispiel 1 (siehe Rdn 48). Allerdings stammt die Familie des Erblassers aus Kroatien und ist in den 1970er Jahren nach Deutschland ausgewandert. Der nach Bukarest gezogene Sohn war daher beim Eintritt des Erbfalls nicht deutscher, sondern kroatischer Staatsangehöriger.

 

Rz. 62

In Beispielsfall 2 verweist Art. 21 Abs. 1 EuErbVO erneut auf das bosnische Recht. Das bosnische Recht wiederum knüpft das Erbstatut an die kroatische Staatsangehörigkeit des Erblassers an und spricht damit eine Verweisung auf das kroatische Recht aus. Aus deutscher Sicht handelt es sich um eine Weiterverweisung auf das Recht eines dritten Staates. Da die EuErbVO auch in Kroatien anwendbar ist, handelt es sich um eine Weiterverweisung auf das Recht eines anderen Mitgliedstaates. Gemäß Art. 34 Abs. 1 lit. a EuErbVO ist auch in diesem Fall die bosnische Kollisionsnorm, die die Verweisung auf das Heimatrecht ausspricht, anzuwenden. Es kommt also zur Geltung kroatischen Rechts.

 

Rz. 63

Aus Sicht von Kroatien liegt in dieser Konstellation eine Rückverweisung durch das bosnische Recht vor. Um die einheitliche Rechtsanwendung im Erbrecht in den Mitgliedstaaten zu wahren, ist die Konstellation daher identisch zu behandeln wie der Fall der Rückverweisung. Auch in diesem Fall stellt sich daher die Frage, ob die Verweisung des bosnischen (Drittstaat) Rechts auf das kroatische Recht (Mitgliedstaat) stets als Sachnormverweisung zu behandeln ist (renvoi simple) oder ob hier nach den Regeln der foreign court theorie (double renvoi) zu verfahren ist.

 

Rz. 64

Entscheidet man sich für die Lehre vom renvoi simple, so ergibt sich im Beispielsfall 2 die Anwendbarkeit kroatischen materiellen Rechts. Dort wäre die nichteheliche Lebensgefährtin ebenfalls erb- und pflichtteilsberechtigt, so dass sich die Pflichtteilsquote der Eltern auf 1/6 halbiert. Folgt man der foreign court theory, so wäre zu beachten, dass der bosnische Rechtsanwender nach Verweisung auf das kroatische Heimatrecht des Erblassers gem. Art. 6 bosn. IPRG die Verweisung auf das bosnische Aufenthaltsrecht (Art. 21 Abs. 1 EuErbVO) als Rückverweisung befolgen würde und die Verweisungskette im bosnischen Recht abbrechen würde. Danach hätten die Eltern kein Pflichtteil, weil keine Bedürftigkeit vorliegt.

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