Rz. 109
Die Änderung oder der Widerruf der Rechtswahl muss gem. Art. 22 Abs. 4 EuErbVO den Formvorschriften für die Änderung oder den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen entsprechen. Insoweit wird für die Form also auf die entsprechende Regelung in Art. 2 des Haager Testamentsformübereinkommens bzw. auf Art. 27 Abs. 2 EuErbVO verwiesen. Danach wird der bunte Strauß der Anknüpfungen noch einmal erweitert: Es ist nicht erforderlich, dass die Verfügung nach der auf Basis der aktuellen Verhältnisse bestimmten Rechtsordnungen formgültig ist. Vielmehr sind die Änderung und der Widerruf der Rechtswahl hinsichtlich der Form auch dann gültig, wenn sie den Formerfordernissen einer der Rechtsordnungen entsprechen, nach denen die geänderte oder widerrufene Rechtswahl nach Art. 27 Abs. 1 EuErbVO bzw. nach Art. 1 Abs. 1 Haager Testamentsformübereinkommen gültig war. Freilich ist Vorsicht geboten: Das Formstatut der ursprünglichen Verfügung erstreckt sich hier nur auf den Widerruf bzw. die Modifikation der ursprünglichen Verfügung, nicht aber auf in diesem Zusammenhang getroffene neue Verfügungen. Sind diese nach den für die neue Verfügung geltenden Anknüpfungen nicht formwirksam, so wurde die alte Verfügung ggf. aufgehoben, aber keine neue wirksame Verfügung getroffen.
Rz. 110
Für die materiellen Voraussetzungen für den Widerruf einer Rechtswahl enthält die EuErbVO keine Regelung. EG 40 S. 3 EuErbVO enthält allein den Hinweis, dass das gewählte Recht auch für die Rechtshandlung gelten soll, mit der die Rechtswahl geändert oder widerrufen wird. Dieser Hinweis ist freilich nur für den Widerruf eindeutig. Für die Änderung einer Rechtswahl hingegen bleibt es offen, ob hier das ursprünglich gewählte Recht (also das nunmehr abgewählte Recht) gelten soll, das Recht, das durch die Änderung der Rechtswahl zur Anwendung gelangen soll, oder gar beide.
Rz. 111
Denkbar wären hier folgende Fälle:
1. |
Der Erblasser widerruft eine Rechtswahl. Das Erbstatut bestimmt sich dann danach, wo er zum Zeitpunkt des Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben wird. |
2. |
Der Erblasser hat in der Zwischenzeit seine Staatsangehörigkeit gewechselt oder eine weitere Staatsangehörigkeit erworben. In diesem Fall kann er das neue Heimatrecht wählen. Der Sache nach handelt es sich um einen Widerruf der alten und die Vornahme einer neuen Rechtswahl. |
3. |
Der Erblasser hatte schon bei Errichtung mehrere Staatsangehörigkeiten. Er entscheidet sich nachträglich für eine andere, als er damals gewählt hat. In diesem Fall muss er auch zum Zeitpunkt der Modifikation der Rechtswahl oder zum Zeitpunkt seines Todes Angehöriger des Staates ein, dessen Recht er nun wählen will. |
Rz. 112
In Fall 1 unterliegt nicht nur die ursprüngliche Ausübung der Wahl des Heimatrechts, sondern auch (quasi als actus contrarius) ihr Widerruf dem gewählten Heimatrecht. Mit diesem ist der Erblasser aber nicht mehr unbedingt verbunden. Er könnte z.B. die Rechtswahl deswegen widerrufen, weil er die Zugehörigkeit zu dem Staat, dessen Recht er gewählt hatte, zwischenzeitlich verloren hat. Daher wäre m.E. zu überlegen, ggf. ersatzweise auf das am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt des Widerrufs geltende Recht abzustellen (Art. 24 Abs. 1 EuErbVO entsprechend).
Rz. 113
In Fall 2 und 3 könnte man darauf abstellen, dass in der Änderung der Rechtswahl zugleich auch ein Widerruf der ursprünglich getroffenen Rechtswahl liegt (also Widerruf und Neuvornahme). Man müsst also sowohl das ursprünglich gewählte Recht (für den Widerruf der alten) und das neu gewählte Recht (für die Wirksamkeit der neuen Rechtswahl) anwenden. Das erscheint freilich ein wenig gekünstelt. Probleme ergeben sich insbesondere, wenn eine der beiden Erklärungen unwirksam ist und z.B. nur der Widerruf wirksam ist (es gilt dann aufgrund Unwirksamkeit der erneuten Rechtswahl kraft objektiver Anknüpfung das am gewöhnlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt des Todes geltende Recht) oder nur die neue Rechtswahl wirksam ist, so dass nun beide gewählten Rechtsordnungen zugleich anzuwenden wären. Insoweit könnte man für die Geltung ausschließlich des derogierten Rechts oder des prorogierten Rechts plädieren.
Rz. 114
Für die Anwendung des prorogierten Rechts spricht hier zunächst, dass im Fall einer Änderung der Rechtswahl aufgrund Wechsels der Staatsangehörigkeit der Erblasser möglicherweise mit dem ursprünglich gewählten Recht nicht mehr verbunden ist und gerade aus diesem Grunde die ursprüngliche Rechtswahl aus der Welt schaffen will. Es wäre unbillig, ihn nun noch an diesem Recht festzuhalten, sollte hiernach die neue Verfügung nicht wirksam sein. Hinzu tritt kommt, dass bei der Änderung der Rechtswahl (weniger also noch beim Widerruf) nicht das abgewählte, sondern das neu gewählte Recht im Vordergrund steht. Insoweit überzeugt daher die Auffassung, es gelte allein das neu gewählte Recht.
Rz. 115
Von dieser Frage der Wirksamkeit des Widerrufs zu trennen ist aber die Frage, ob der Widerruf überhaupt möglich ist ...