Rz. 300
Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht wurde zum 1.10.2021 die – systemwidrige – sogenannte Kleinforderungsregelung als eine der zentralen Bestimmungen eingeführt. Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft im Sinne der Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 EUR die Gebühr abweichend von § 13 Abs. 1 S. 1 RVG nicht 49 EUR, sondern 30 EUR, liegt mithin um rund 39 % niedriger.
Vor dem Hintergrund der massiven Gebührenkürzung muss der beschränkte Anwendungsbereich beachtet werden:
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Die Regelung gilt nur für die Geschäftsgebühren nach Nrn. 2300, 2301 VV RVG einschließlich der sie erhöhenden Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG; |
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der Gebührenbetrag wird nur bei der Erbringung einer Inkassodienstleistung abgesenkt, d.h. es bleibt bei § 13 Abs. 1 RVG, wenn Rechtsprüfung im konkreten Einzelfall erforderlich ist und damit eine Rechtsdienstleistung erbracht wird, HinweisDa die Formulierung als Tatbestandsvoraussetzung sowohl die "Inkassodienstleistung" als auch die "unbestrittene Forderung" nennt, ist zwischen beiden Fällen zu unterscheiden. Eine Rechtsdienstleistung liegt also nicht nur dann vor, wenn die Forderung bestritten ist, sondern auch, wenn bei einer unbestrittenen Forderung im konkreten Einzelfall eine Rechtsprüfung erforderlich ist, wie es § 2 Abs. 2 RDG formuliert. Das entspricht dem Schutzzweck der Norm, der eine Kostenprivilegierung nur für standardisierte und automatisierte Inkassodienstleistungen mit geringerem Aufwand anstrebt. Eine Rechtsprüfung im konkreten Einzelfall weicht davon im Aufwand aber ab. Das Korrektiv für eine manipulative Überdehnung der Ausnahme stellt die "Erforderlichkeit" der Rechtsprüfung dar, wie sie § 2 Abs. 2 RDG fordert. § 2 Abs. 2 RDG verlangt dafür gerade keine bestrittene Forderung. |
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die einzuziehende Forderung muss unbestritten sein und |
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der Gegenstandswert muss unter 50,01 EUR liegen. |
Rz. 301
Vor dem Hintergrund der genannten Einschränkungen findet die Regelung des § 13 Abs. 2 RVG also bei der Einigungsgebühr ebenso keine Anwendung wie bei der Geschäftsgebühr, wenn der Schuldner Einreden oder Einwendungen erhebt, wenn der Schuldner die Forderung rechtlich erörtern will oder wenn aufgrund seines Begehrens auf eine Zahlungsvereinbarung im konkreten Einzelfall die Erfolgschancen der Titulierung und der Zwangsvollstreckung in rechtlicher Hinsicht geprüft werden müssen.
Zu beachten ist, dass sich der Gebührenbetrag und damit die Geschäftsgebühr im Rahmen der vorgerichtlichen Forderungseinziehung erhöhen kann, wenn eine der Voraussetzungen während der vorgerichtlichen Forderungseinziehung entfällt.
Beispiel
Der Gläubiger übergibt dem Rechtsdienstleister eine Forderung von 49 EUR als Mitgliedsbeitrag eines Fitnessstudios. Trotz zweifacher Mahnung des Gläubigers hat der Schuldner weder Einwendungen erhoben noch gezahlt. Auf die Mahnung des Rechtsdienstleister meldet er sich aber dann und macht – unberechtigt – geltend, er habe den Vertrag nicht abgeschlossen. Nach Vorlage des Vertragsformulars mit seiner Unterschrift zahlt er dann.
Mit der ersten Inkassomahnung konnte nur eine 0,9-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 Abs. 2 VV RVG aus einem Gebührenbetrag von 30 EUR, mithin in Höhe von 27 EUR geltend gemacht werden. Durch den bestrittenen Vertragsschluss greift nun aber einerseits § 13 Abs. 1 RVG hinsichtlich des Gebührenbetrages und berechnet sich die Geschäftsgebühr aus Nr. 2300 Abs. 1 VV RVG, so dass eine 1,3-Geschäftsgebühr aus 49 EUR, mithin von 63,70 EUR entsteht und als Schaden des Gläubigers vom Schuldner zu erstatten ist.