Rz. 187
Soweit der Gläubiger seinen zuvor beschriebenen Obliegenheiten Rechnung getragen hat und damit grundsätzlich berechtigt ist, einen Dritten mit dem weiteren Forderungsinkasso zu beauftragen und die dadurch verursachten Kosten bei dem Schuldner zu liquidieren, kommt es außerhalb besonderer Konstellationen seit dem 1.7.2008 grundsätzlich nicht darauf an, ob er einen Inkassodienstleister oder einen Rechtsanwalt mit der weiteren Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt. Dieser hier schon immer vertretenen Auffassung hat sich der Gesetzgeber erstmals ausdrücklich mit der Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie angeschlossen. Er führt dort aus
Zitat
"Die unterschiedliche Behandlung von nichtanwaltlichem und anwaltlichem Inkasso, die dadurch entsteht, dass"
die Ersatzfähigkeit von Inkassokosten nur beim nichtanwaltlichen Inkasso durch Höchstsätze beschränkt werden
kann, begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Gleichheitsgebot des Artikels 3 GG. Inkassodienstleistungen, die von Inkassodienstleistern erbracht werden, unterscheiden sich nicht von Inkassodienstleistungen, die Rechtsanwälte erbringen.“
Mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht hat der Gesetzgeber seinem Anerkenntnis auch Taten folgen lassen und die vollständige kostenrechtliche Gleichstellung bei der Erbringung von Rechts- und Inkassodienstleistungen zur Einziehung fremder oder auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen geregelt. Der Gleichbehandlung von Rechtsanwaltschaft und Inkassodienstleistern widmet er dabei ein eigenständiges Kapitel.
In beiden Fällen kann der Gläubiger die durch das weitere vorgerichtliche Forderungsinkasso entstandenen Kosten von dem Schuldner in voller Höhe verlangen. Maßgeblich ist insoweit allein, dass der Gesetzgeber dem Gläubiger nach § 3 RDG i.V.m. § 1 BRAO den Rechtsanwalt und nach § 3, 10 Abs. 1 Nr. 1 RDG den Inkassodienstleister als postulationsfähige Rechtsdienstleister für die Erbringung von Rechts- und Inkassodienstleistungen im Kontext der Forderungseinziehung zur Verfügung stellt.
Rz. 188
Soweit ersichtlich wird nicht ernsthaft bestritten, dass dem Gläubiger ohne Gefährdung seines Erstattungsanspruches dem Grunde nach die freie Wahl zwischen der Beauftragung eines Inkassodienstleister und einem Rechtsanwalt jedenfalls dann zusteht, wenn der Schuldner sich aus der allein maßgeblichen ex-ante-Sicht verhandlungsbereit zeigt oder er – als Regelfall – auf die Mahnungen des Gläubigers nicht reagiert hat. Es kann erwartet werden, dass der Schuldner die in der Beauftragung eines Rechtsdienstleisters liegende nachdrückliche und ernsthafte Forderungseinziehung zur Kenntnis nimmt und auf entsprechende Bemühungen einer außergerichtlichen Regelung zustimmt, die Forderung dann im Wege einer Zahlungsvereinbarung anerkennt und ausgleicht oder zu deren Sicherung durch Sicherungsabtretungen, verjährungsverlängernden Vereinbarungen oder eines kostengünstigen notariellen Schuldanerkenntnisses beiträgt.
Rz. 189
Die gewerbliche Wirtschaft entscheidet sich vielfach für Inkassodienstleister, weil sie aufgrund ihres intensiven Informationsmanagements zur Identifizierung des Schuldners, der Adressverifizierung und der bonitätsgesteuerten Forderungseinziehung mehr noch als ein Rechtsanwalt darauf spezialisiert ist, den Schuldner sachgerecht und differenziert anzusprechen und so einen möglichst weitgehenden, optimierten und kostengünstigen Forderungseinzug auch bei großen Fallzahlen zu gewährleisten, ohne die Leistungsfähigkeit des Schuldners zu ignorieren. Aufgrund ihres – aus der Erkenntnis des so am erfolgreichsten zu gestaltenden Forderungsinkassos gewachsenen – Selbstverständnisses als Vermittler zwischen Gläubiger und Schuldner erlaubt dies zugleich, die Geschäftsbeziehung aufrecht zu erhalten oder künftig wieder neu begründen zu können, was bei Dauerschuldverhältnissen ebenso relevant ist, wie in den großen Versorgungsbereichen der Telekommunikation, der Versicherungen, der Energieversorger oder des (Online-)Handels. Ein spät oder unregelmäßig zahlender Kunde ist vielen Unternehmen noch immer lieber als überhaupt kein Kunde. Auch sind Inkassodienstleister anders als bisher Rechtsanwälte (§ 49b BRAO) in der Lage, dem Gläubiger das Liquiditätsrisiko des Schuldners hinsichtlich der Rechtsverfolgungskosten ganz oder teilweise abzunehmen, in dem sie gegen eine Erfolgsprovision sich den Erstattungsanspruch auf die Rechtsverfolgungskosten an Erfüllung statt abtreten lassen (§ 364 BGB). Das wirtschaftliche Risiko des Gläubigers einen weitergehenden Schaden zu erleiden, reduziert sich also.
Allerdings ist nicht zu übersehen, dass auch vermehrt Rechtsanwälte diesen Markt bedienen und in den vertraglichen Gestaltungen mit dem Gläubiger die gleichen Freiheiten wie Inkassodienstleister anstreben. Statt der Forderung von Verbraucherschutzorganisationen zu folgen, die vertraglichen Gestaltungen zu verbieten, wurde mit dem Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebo...