Rz. 307
In Ergänzung zur allgemeinen Wertvorschrift des § 23 RVG ergeben sich aus den §§ 23a–31b RVG speziellere Regelungen. Entsprechend dem allgemeinen Lex-specialis-Grundsatz hat die Anwendung der spezielleren Vorschriften Vorrang vor der allgemeinen Regelung gem. § 23 RVG.
Bei der Bearbeitung von Forderungsmandaten sind die speziellen Wertvorschriften gem. § 25 RVG (Vollstreckung und Vollziehung), § 26 RVG (Zwangsversteigerung), § 27 RVG (Zwangsverwaltung), § 28 RVG (Insolvenzverfahren) und insbesondere § 31b RVG (Zahlungsvereinbarungen) zu beachten und von besonderer Bedeutung.
Ist es in der Zwangsvollstreckung lange Praxis, dass nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG auf die Gesamtforderung zur Bestimmung des Gegenstandswertes abzustellen ist, der nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 bei der Vermögensauskunft auf 2.000 EUR gedeckelt ist, wurde die Deckelung mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht bereits mit Wirkung zum 1.1.2021 auf die vom Gerichtsvollzieher nach § 802l ZPO einzuholenden Drittauskünfte erweitert.
Bei der Erbringung von Inkassodienstleistungen von besonderer Bedeutung ist § 31b RVG, da Zahlungsvereinbarungen ein zentrales Instrument zur Lösung einer vorübergehend gestörten Leistungsfähigkeit des Schuldners sind. Ist Gegenstand der Einigung eine Zahlungsvereinbarung nach Nr. 1000 Nr. 2 VV RVG, d.h. eine Vereinbarung, die lediglich das "wie" der Zahlung betrifft, beträgt der Gegenstandswert 50 Prozent des Anspruchs. Es ist also zunächst der Anspruchswert zu bestimmen, über den man sich einigt und dieser dann zu halbieren.
Hinweis
Die Erhöhung des Prozentsatzes von 20 % auf 50 % soll die noch darzustellende massive Kürzung des Gebührensatzes teilweise ausgleichen. Dies kann aber nicht gelingen, weil sich die Regelung des § 31b RVG bei den besonders betroffenen Forderungen bis 500 EUR überhaupt nicht auswirkt. Die Annahme des Gesetzgebers, dass die bisherige Einigungsgebühr den Aufwand überkompensiere, ist durch rechtstatsächliche Untersuchungen nicht belegt. Es wird übersehen, dass es einen erheblichen Aufwand bereitet, der in seinem zeitlichen Umfang eine Rechtsprüfung deutlich übersteigen kann, wenn die Leistungsfähigkeit des Schuldners verifiziert, daraus eine "optimale", d.h. für beide Seiten angemessene Rate entwickelt und zuletzt eine rechtlich tragfähige Vereinbarung geschlossen werden muss, die den berechtigten Sicherungsbedürfnissen des Gläubigers Rechnung trägt. Die Gesetzesbegründung behauptet einen geringeren Aufwand, ohne diese Behauptung zu begründen oder mit Rechtstatsachen zu untermauern. Ein Versäumnis einer völlig missglückten Evaluation in den Jahren 2016 bis 2018.
Rz. 308
§ 31b RVG ist nicht anzuwenden, wenn Streit oder Ungewissheit über die Berechtigung der einzuziehenden Forderung besteht, der bzw. die durch die gütliche Einigung beigelegt werden sollen. In diesem Fall liegt eine Einigung nach Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG vor, den § 31b RVG nicht mit in seinen Anwendungsbereich einbezieht. Die Anwendung scheidet damit bei einer bestrittenen Forderung aus. Dabei differenziert das Gesetz weder in § 13 Abs. 2 RVG, noch in § 31b RVG oder den in Bezug genommenen Gebührenbestimmungen der Anlage 1 zu § 13 RVG, nämlich Nrn. 1000, 2300 VV RVG zwischen Haupt- und Gesamtforderungen. Mithin scheidet die Anwendung von § 31b RVG nicht nur aus, wenn die Hauptforderung bestritten wird, sondern auch wenn – unberechtigt – die Nebenforderungen bestritten werden. Das ist auch nur konsequent, weil sich der Aufwand für den Rechtsdienstleister unabhängig von der Frage erhöht, welcher Teil der Gesamtforderung bestritten wird.