Rz. 67
Der Schuldner kommt wegen seiner verspäteten Leistung nach § 286 Abs. 4 BGB nicht in Verzug, wenn er die Leistungsverzögerung nicht zu vertreten hat. Der Verzugseintritt ist also verschuldensabhängig.
Hinweis
Zu vertreten hat der Schuldner allerdings eine Leistungsverzögerung auch dann, wenn er hierfür eine Garantie übernommen hat. Insoweit ist es letztlich möglich, dass § 286 Abs. 4 BGB vertraglich abbedungen wird.
Durch die Formulierung des § 286 Abs. 4 BGB ist klargestellt, dass es sich um eine dem Schuldner günstige Tatsache handelt, für die er entsprechend darlegungs- und beweispflichtig ist. Hat der Gläubiger also die Fälligkeit der Forderung, die Nichtleistung des Schuldners trotz der fortbestehenden Möglichkeit der Leistung, die Mahnung oder deren Entbehrlichkeit, die Durchsetzbarkeit der Forderung und den Verzugsschaden dargelegt und im Bestreitensfall auch nachgewiesen, muss nun der Schuldner nachweisen, dass ihn daran kein Verschulden trifft.
§ 286 Abs. 4 BGB ist eingebettet in die allgemeinen Vorschriften, so dass sich das Verschulden an den §§ 276–278 BGB zu messen hat. Nach § 276 BGB hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wobei § 278 BGB diese Haftung auf Erfüllungsgehilfen erweitert.
Bei den hier maßgeblichen Geldforderungen sind wenige Fälle denkbar, in denen ein Anspruch aus Verzug an dem fehlenden Verschulden des Schuldners scheitert. Zunächst hat der Schuldner die mangelnde Liquidität grundsätzlich zu vertreten. Erkrankungen oder vergleichbare Hindernisse sind nur dann von dem Schuldner nicht zu vertreten, wenn er nicht einmal in der Lage war, einen Dritten mit der Leistung zu betrauen, etwa eine Überweisungsvollmacht zu erteilen. Richtigerweise gehört es zu den Eigenobliegenheiten des Schuldners, sich zu kümmern.
Rz. 68
Als ein das Verschulden ausschließendes Leistungshindernis kann es sich darstellen, wenn der ursprüngliche Gläubiger die Forderung an den neuen Gläubiger abtritt, dem Schuldner dann aber nur den Namen, nicht aber auch die Anschrift bzw. Kontodaten des neuen Gläubigers mitteilt. Der Schuldner ist nicht verpflichtet, hier Nachforschungen anzustellen.
Rechtsunkenntnis lässt das Verschulden grundsätzlich nicht entfallen, soweit sie darauf beruht, dass der Schuldner die maßgeblichen Rechtsvorschriften oder gar den Vertragsinhalt nicht kennt. Die Kenntnis dieser Grundlagen gehört nach der Verkehrsauffassung zur Sorgfalt einer am Rechtsverkehr teilnehmenden Person. Die rechtliche Unkenntnis muss der Schuldner durch die Hinzuziehung eines Rechtskundigen ausgleichen. Dabei muss sich der Schuldner eine falsche Rechtsauskunft über § 278 BGB zurechnen lassen. Er ist dann auf Rückgriffsansprüche gegen seinen Rechtsberater zu verweisen.
Inwieweit dagegen eine rechtliche Ungewissheit über die Auslegung einer Norm oder das Verständnis einer höchstrichterlichen oder – in Ermangelung einer solchen – einer obergerichtlichen Rechtsprechung das Verschulden entfallen lässt, ist hoch umstritten und kann im Rahmen der vorliegenden Darstellung nicht abschließend erörtert werden.