Rz. 39
Nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist die Mahnung entbehrlich, wenn für die Leistung des Schuldners eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist. Der Regelung liegt die Ratio zugrunde, dass durch die kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich um einen wesentlichen Aspekt der Leistungsbeziehung handelt, der es rechtfertigt, mit der Nichtleistung bei Fälligkeit sogleich den Verzug eintreten zu lassen. Dies umso mehr, da für den Schuldner keine Zweifel bestehen, wann er zu leisten hat.
Es gibt in §§ 556b Abs. 1, 579 Abs. 2 BGB gesetzliche Bestimmungen der Leistungszeit für die Miete. Darüber hinaus dominieren vertragliche Bestimmungen. Die kalendermäßige Bestimmung muss von vorneherein oder durch eine Nachtragsvereinbarung vor Fälligkeit zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbart sein; bestimmt heißt also "vertraglich bestimmt". Dabei hat der BGH im Jahre 2007 mit der herrschenden Meinung noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass die kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit im Vertrag, im Gesetz oder durch ein Urteil erfolgt sein muss. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung oder Bestimmung, kann diese nicht einseitig, etwa auf der Rechnung nachgeholt werden.
Beispiel
So hat der BGH es im zitierten Fall für § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht als ausreichend erachtet, dass auf der Rechnung notiert war "Den Rechnungsbetrag überweisen Sie bitte bis zum 5.10.2004 auf das rechts unten angegebene Konto." Hier fehlte es an der vertraglichen Vereinbarung der Leistungszeit. Allerdings kann dieses Schreiben eine Mahnung darstellen.
Insoweit muss der Gläubiger schon bei Vertragsabschluss sicherstellen, dass eine entsprechende Leistungsbestimmung in den Vertrag übernommen wird. Auch sein Rechtsdienstleister sollte hierzu in Zahlungsvereinbarungen aller Art auf eindeutige Regelungen achten. Für ausreichend erachtet wird darüber hinaus, wenn dem Gläubiger vertraglich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach Maßgabe des § 315 BGB eingeräumt wird, während ein Schweigen auf eine Bestimmung der Leistungszeit durch den Gläubiger nicht gemäß § 151 S. 1 BGB zu einer Vereinbarung führt.
Erforderlich ist, dass die Leistungszeit unmittelbar oder mittelbar eindeutig als Kalendertag bezeichnet ist. Lässt sich die Leistungszeit nur in Abhängigkeit von einem an sich noch unbestimmten Ereignis bestimmen, kommt der Eintritt des Verzuges ohne Mahnung nur nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Betracht.
Anerkannt sind die Formulierungen
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"Zahlung am 10.März 2022" |
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"Zahlung im September", (Verzug 1.10.) |
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"Zahlung 14 Tage ab Bestellung", |
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Zahlung 10 Tage nach Vertragsabschluss“ |
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"bis spätestens Mitte (oder Ende) des Monats", (Verzug 16. des Monats oder 1. des Folgemonats) |
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"in der […] Kalenderwoche", (Verzug am Montag der Folgewoche) |
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"Ostern 2022", "Pfingsten 2022". |
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"bis Ende des Jahres 2021" (Verzug am 1.1.2022) |
Rz. 40
Daneben kann die Mahnung auch dann entbehrlich sein, wenn dem Gläubiger normativ oder im Vertrag ein einseitiges Bestimmungsrecht nach § 315 BGB für den kalendermäßig bestimmten Leistungszeitpunkt eingeräumt wird oder wenn eine Fertigstellung der Bauarbeiten nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums im Vertrag vereinbart ist und das Datum des Beginns des Zeitraums während der Vertragsdurchführung einvernehmlich festgelegt wird.
Beispiel
Das vom Versorgungsunternehmen mit der Rechnung gemäß § 27 Abs. 1 AVBEltV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden) angegebene Fälligkeitsdatum des Rechnungsbetrages und der künftigen Abschläge ist eine verzugsauslösende Bestimmung der Leistungszeit nach dem Kalender im Sinne der §§ 315, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Sind Rechnungen oder Abschlagsberechnungen zu dem vom Versorgungsunternehmen bestimmten Zeitpunkt spätestens an einem bestimmten Kalendertag zu bezahlen, kommt der Kunde auch ohne Mahnung in Verzug, wenn er nicht zu diesem Zeitpunkt leistet.
Nicht ausreichend sind wegen des Fehlens der festen kalendermäßigen Bestimmung dagegen die Formulierungen
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"in ca. vier Wochen", |
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"ca. Mitte oder Ende Juni", |
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"circa drei Tage", |
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"2 Wochen nach Abruf", |
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"Bezugsfertigkeit binnen eines Jahres nach Baubeginn" |
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"1 Monat nach Lieferung", |
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"Bezahlung nach Rechnungsstellung", |
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"Die Ausführungsfrist beginnt mit dem tatsächlichen Arbeitsbeginn", (wenn der Arbeitsbeginn nicht vertraglich vereinbart ist). |
Rz. 41
Besonderheiten ergeben sich, wenn die öffentliche Hand ihre Aufgaben in privatrechtlicher Form erfüllt. Wird die Leistungszeit in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen kalendermäßig nach Quartalen bestimmt, bewirkt dies nur dann den Verzug des Schuldners, wenn ihm rechtzeitig vorher eine Rechnung für das betreffende Jahr übersandt wurde. Bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in den Formen des Privatrechts sind nämlich die grundlegenden Prinzipien des öffentlichen Finanzgebarens zu beachten, zu denen im Abgabe...