Rz. 249
Soweit die beschriebenen Anspruchsgrundlagen einen Schadensersatzanspruch dem Grunde nach ergeben, der entstandene Schaden in Form der Inkassokosten der Höhe nach feststeht und die Beauftragung eines Rechtsdienstleisters zweckmäßig und erforderlich war, muss geprüft werden, ob die entstandenen Kosten als Schaden in voller Höhe vom Schuldner zu ersetzen sind oder ob sich wegen eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht eine Begrenzung ergibt. Dabei kennt die Schadensminderungspflicht in § 254 Abs. 2 BGB ihre allgemeine Ausprägung, die in § 13e für Inkassodienstleister und in § 13f RDG für beide Rechtsdienstleister Konkretisierungen erfahren hat.
Hinweis
Dabei stellt der Wegfall des Erstattungsanspruchs nur die ultima ratio dar. Grundsätzlich ist der Erstattungsanspruch auf den Betrag zu reduzieren, der bei Einhaltung der Schadensminderungspflicht erstattungsfähig gewesen wäre. Es ist also eine fiktive Vergleichsberechnung durchzuführen.
Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht liegt vor, wenn der Gläubiger Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung oder Schadensminderung ergreifen würde. Die Schadensminderungspflicht besteht dabei unabhängig von der Frage, ob ein Rechtsanwalt oder ein Inkassodienstleister beauftragt wird.
Rz. 250
Auf das Forderungsmanagement übertragen kann die Schadensminderungspflicht in zwei Zusammenhängen besondere Bedeutung erlangen:
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Zum einen entspricht es den in § 254 Abs. 2 S. 1 BGB niedergelegten Grundsätzen der Schadensminderungspflicht, dass der Geschädigte den Schuldner als Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens hinweist. Dem wird Rechnung getragen, wenn der Gläubiger oder sein Rechtsdienstleister auf die möglichen Folgen der fortgesetzten Nichtzahlung hinweisen. HinweisIn Hinweisen auf die Folgen der fortgesetzten Nichtzahlung, etwa auf die Abgabe an einen Rechtsdienstleister, die Titulierung oder die Zwangsvollstreckung, liegt also keine "Drohung", sondern die Erfüllung einer Rechtspflicht. Es darf nur nicht der Eindruck erweckt werden, der Schuldner stehe dem hilflos gegenüber, wenn er die Forderung für unberechtigt erachtet. Auch muss die aufgezeigte Konsequenz auch möglich sein. |
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Sodann kann eine Verletzung der Schadensminderungspflicht in Betracht kommen, wenn der Gläubiger mehr als die notwendigen Kosten verursacht, d.h. gegen seine Kostenminderungspflicht verstößt. Das kann der Fall sein, wenn ein Inkassodienstleister mit der Wahrnehmung der Interessen beauftragt wird, obwohl ein Rechtsanwalt die Leistung kostengünstiger erbracht hätte, oder schon aus der Ex-ante-Sicht feststand, dass neben der Einschaltung des Inkassodienstleisters auch noch die Beauftragung eines Rechtsanwaltes erforderlich werden wird. |
Rz. 251
Hinweis
In beiden Fällen kommt allerdings kein Wegfall des Erstattungsanspruchs, sondern nur eine Begrenzung auf die bei sachgerechter Vorgehensweise angefallenen Kosten in Betracht. Es entfallen also nur die "Mehrkosten". Tatsächlich wird häufig schematisch die Inkassovergütung auch im zweiten Fall als Ganzes verweigert, ohne dass die Rechtsgrundlagen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einer vollständigen Überprüfung unterzogen werden. Richtiger Weise muss gesehen werden, dass auch ein Rechtsanwalt vorgerichtlich eine Vergütung hätte beanspruchen können. Etwas anderes kann nur gelten, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass vorgerichtlich überhaupt kein Rechtsdienstleister hätte beauftragt werden dürfen. Das wird nur in absoluten Ausnahmefällen anzunehmen sein.
Dies kann allerdings auch umgekehrt gelten, d.h. der Gläubiger kann gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen, wenn er einen Rechtsanwalt beauftragt, obwohl ein Inkassodienstleister die Rechts- oder Inkassodienstleistung kostengünstiger erbringen kann.
Hinweis
Dies war in der Vergangenheit der Fall sein, wenn die Titulierung im gerichtlichen Mahnverfahren gefordert war und ein Inkassodienstleister sich mit der prozessualen Kostenerstattung in Höhe von 25 EUR nach § 4 Abs. 4 RDGEG begnügte, während der Rechtsanwalt die gesetzlichen Gebühren nach dem RVG verlangte. Zum 1.10.2021 wurde § 4 Abs. 4 RDGEG insoweit gestrichen und auch nicht in § 13e RDG übernommen, so dass diese Situation gleichfalls der Vergangenheit angehören sollte.