Rz. 44
Nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist die Mahnung auch dann entbehrlich, wenn der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. In diesem Fall kann der Schuldner das Ereignis feststellen und weiß unter Berücksichtigung der vereinbarten Leistungszeit insofern genau, wann er zu leisten hat. Es wäre deshalb unbillig, dem Gläubiger zuzumuten, nochmals eine Nachfrist setzen zu müssen, um die Verzugsfolgen herbeizuführen.
Rz. 45
Als Bestimmungen eines Ereignisses im Sinne des § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB wurden in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt:
▪ |
"3 Wochen nach Zugang der Rechnung", |
▪ |
"2 Wochen nach Abnahme", |
▪ |
2 Wochen nach Beginn der Bauarbeiten, |
▪ |
die Fälligkeitsmitteilung eines Notars, |
▪ |
der Abruf der Leistung. |
▪ |
ab Kündigung |
Dagegen sollen folgende Formulierungen nicht genügen
▪ |
"binnen 8 Arbeitstagen nach Erhalt der Unterlagen", weil nicht feststeht, welche Unterlagen konkret gemeint sind; |
▪ |
der Ablauf der Klagefrist für ein Zustimmungsverlangen für eine Mieterhöhung nach § 558b Abs. 2 BGB; |
▪ |
der Ablauf der Abrechnungsfrist für Betriebskosten nach § 556 Abs. 3 S. 2 BGB. |
Rz. 46
Ab dem Ereignis muss dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistungserbringung gesetzt werden. Dadurch soll dem Schuldner Gelegenheit gegeben werden, die Leistung – von der er zunächst den genauen Leistungszeitpunkt nicht kannte – vorzubereiten und zu erbringen. Welche Frist angemessen ist, ist eine Frage des Einzelfalles. So kann bei kleinen Geldforderungen eine kurze Frist angemessen sein, die genügt, um eine Überweisung zu veranlassen und ausführen zu lassen. Eine längere Frist als 2 Wochen erscheint sicher nicht notwendig. Handelt es sich um größere Summen, bei denen ein Kreditbedarf besteht, wird ggf. die notwendige Finanzierungsfrist zu gewähren sein. Auch in diesem Fall kann allerdings eine kürzere Frist angemessen sein, wenn der Schuldner um den konkreten Finanzierungsbedarf weiß und vertraglich vereinbart wurde oder erwartet werden kann, dass die Zeitspanne zwischen dem Vertragsabschluss und dem Ereignis schon zur Vorbereitung der Finanzierung genutzt wird. Bei einem arbeitsgerichtlichen Abfindungsvergleich kann die Frist bis zum nächsten Lohnzahlungslauf andauern.
Rz. 47
Umstritten ist die Rechtsfolge, wenn die gesetzte Frist unangemessen war. Einerseits wird vertreten, dass in diesem Falle anstelle der unangemessen kurzen Frist die objektiv angemessene Frist gilt. Nach anderer Auffassung soll ein Verzug nicht eintreten können, weil die Voraussetzungen des § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht vorliegen. Wenngleich nicht bestritten werden kann, dass die Ratio von § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB darin zu suchen ist, dass der Schuldner die Leistungszeit aufgrund des Ereignisses und der gesetzten – angemessenen – Frist nun eindeutig bestimmen kann und nach der ersten Ansicht eine gewisse Rechtsunsicherheit entsteht, erscheint es doch unbillig, den Schuldner aus jeder Verantwortung für die Leistungserbringung zu entlassen und dem Gläubiger einseitig das gesamte Risiko der Fristsetzung zu überlassen. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn die Frist nicht offensichtlich unangemessen ist. Insoweit erscheint es über § 242 BGB und die darin normierten Grundsätze von Treu und Glauben zumindest erforderlich, dass der Schuldner die gesetzte Frist unverzüglich als unangemessen zurückweist, so dass dem Gläubiger nunmehr die Möglichkeit gegeben wird, seine Rechtsposition zu überprüfen und entweder nach § 286 Abs. 1 BGB zu mahnen, eine angemessene Frist zu setzen oder auf der Angemessenheit der gesetzten Frist zu beharren. Dabei darf auch nicht übersehen werden, dass der Schuldner ohne Weiteres selbst in der Lage ist, die angemessene Frist zu bestimmen, soweit nur verlangt wird, dass er ohne schuldhaftes Zögern seine Leistung vorbereitet und erbringt. Ein weitergehendes Schutzbedürfnis des Schuldners kann auch unter Beachtung der Ratio der Vorschrift nicht erkannt werden.
Rz. 48
In der Literatur ist streitig, ob § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Zahlungsverzugsrichtlinie vereinbar ist. Der Gläubiger hat danach Anspruch auf Verzugszinsen ab dem Tag, der auf den vertraglich festgelegten Zahlungstermin oder das vertraglich festgelegte Ende der Zahlungsfrist folgt. Gefordert sei also eine Verzinsung mit Fälligkeit und nicht erst eine Verzinsung zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich nach Ablauf der "angemessenen Frist". Andere stellen darauf ab, dass das "Ereignis" noch keinen Zahlungszeitpunkt darstelle. Ein Zahlungstermin sei erst mit dem Ablauf der angemessenen Frist bestimmt, so dass ein Verstoß gegen die Richtlinie nicht erkannt werden könne. Ziel der Richtlinie sei es insoweit allein gewesen, dem Gläubiger eine Möglichkeit zu geben, 30 Tage nach Fälligkeit den Verzug eintreten zu lassen, ohne dass es einer weiteren Mahnung be...