Rz. 356
Die Geschäftsgebühr kann bei der Rechtsdienstleistung im Rahmen von 0,5 bis 2,5 entstehen, so dass die Mittelgebühr 1,5 beträgt. Eine 1,5-Geschäftsgebühr würde also bei einer durchschnittlichen Angelegenheit anfallen. Der Gesetzgeber hat mit der Anm. zu Nr. 2300 VV RVG die Mittelgebühr allerdings auf eine 1,3-Gebühr begrenzt, die Schwellengebühr. Diese darf nur überschritten werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist. Bei der Inkassodienstleistung ist der Rahmen einer 0,5- bis 1,3-Geschäftsgebühr eröffnet. Hier deckt sich die Mittelgebühr von 0,9 für einen durchschnittlichen Fall mit der Schwellengebühr.
Hinweis
Die konkrete Gebühr in dem Rahmen zu bestimmen, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Rechtsdienstleisters, was eine Abweichung von bis zu 20 % nach oben oder unten toleriert. Allerdings ist diese Toleranzrechtsprechung nicht auf das Überschreiten der Schwellengebühr übertragbar.
Im ersten Schritt ist die Gebühr also bei der Rechtsdienstleistung im Rahmen einer 0,5- bis 1,3-Gebühr nach den Kriterien des § 14 RVG zu bestimmen. Zeigt sich, dass die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, ist im zweiten Schritt der Rahmen von 1,3- bis 2,5 eröffnet. Gleiches gilt bei der Inkassodienstleistung im Rahmen der 0,5 bis 0,9-Geschäftsgebühr bzw. des Rahmens der 0,9 bis 1,3-Geschäftsgebühr bei einer besonders umfangreichen Tätigkeit.
Hinweis
In der Praxis hat sich gezeigt, dass faktisch kein Rechtsdienstleister seiner Vergütungsabrechnung bei einer Rechtsdienstleistung eine den Gebührensatz von 1,3 unterschreitende Geschäftsgebühr zugrunde gelegt hat. Das hat allgemeine Akzeptanz gefunden. Insoweit ist zu erwarten, dass auch die 0,9-Geschäftsgebühr durchgängig bei Inkassodienstleistungen anzusetzen ist. Auch dagegen ist nichts zu erinnern.
Rz. 357
Hierauf aufsetzend ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr zu berücksichtigen. Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr entsteht, wird diese Gebühr nach der Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte, bei Wertgebühren jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Zu beachten ist also, dass nicht die Geschäftsgebühr der Kürzung unterliegt, sondern die nachfolgende Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens.
Inwieweit die Geschäftsgebühr im Abrechnungsverhältnis zwischen Gläubiger und Inkassodienstleister anzurechnen ist, bestimmt sich nach deren vertraglichen Vereinbarungen. Grundsätzlich setzt die Anrechnung voraus, dass
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derselbe Rechtsdienstleister |
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für denselben Auftraggeber |
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wegen desselben Gegenstandes |
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gegen denselben Gegner tätig wird |
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und der zeitliche Zusammenhang (§ 15 Abs. 4 RVG) noch besteht. |
Grundsätzlich ist deshalb die Geschäftsgebühr des Inkassodienstleisters im Vergütungsverhältnis nicht auf die nachfolgende Verfahrensgebühr des Rechtsanwaltes anzurechnen.
Das gilt aber nur für das Vergütungs- und nicht das Erstattungsverhältnis. Nach § 13e Abs. 1 RDG sind ebenso wie nach § 254 Abs. 2 BGB im Erstattungsverhältnis die Anrechnungsvorschriften zur Anwendung zu bringen. Ein Gläubiger kann die Kosten, die ihm ein Inkassodienstleister für seine Tätigkeit berechnet hat, von seinem Schuldner nur bis zur Höhe der Vergütung als Schaden ersetzt verlangen, die einem Rechtsanwalt für diese Tätigkeit nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehen würde. Insoweit bezieht die Norm im Erstattungsverhältnis die Anrechnungsvorschriften mit ein.
Dies gilt nach § 13f S. 1 und 2 RDG auch dann, wenn ein Bearbeiterwechsel stattgefunden hat, d.h. wenn es sich um echte "Mehrkosten" handelt, die bei der Beauftragung nur eines Rechtsdienstleisters nicht entstanden wären.
Hinweis
Da der Inkassodienstleister nach § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO im gerichtlichen Mahnverfahren gleichermaßen postulationsfähig ist, wie der Rechtsanwalt nach § 79 Abs. 1 ZPO besteht insoweit auch kein Anlass zu einem Bearbeiterwechsel. Das verhält sich nach § 13f S. 3 RDG allerdings abweichend, wenn der Schuldner erstmals im gerichtlichen Mahnverfahren die Forderung durch Widerspruch oder Einspruch bestreitet im Hinblick auf die Anrechnung der – um die erste Anrechnung verminderte – Verfahrensgebühr nach Nr. 3305 VV RVG auf die Verfahrensgebühr im gerichtlichen Prozessverfahren nach Nr. 3100 VV RVG. Das in dem Widerspruch oder Einspruch liegende Bestreiten im gerichtlichen Mahnverfahren ist dann im Sinne des § 13f S. 3 RDG Anlass für die Beauftragung des Rechtsanwaltes.
Allerdings wird in der amtsgerichtlichen Rechtsprechung häufig vorschnell eine "Anrechnung" in Form einer Reduzierung der Geschäftsgebühr vorgenommen, ohne die Systematik und Voraussetzungen der Anrechnungsvorschriften, insbesondere auch § 15a RVG zu beachten.
Rz. 358
Die Geschäftsgebühr gehört nicht zu den gerichtlichen Verfahrenskosten und kann deshalb im Kostenfestsetzungsverfahren zum streitigen Erkenntnisverfahren nicht berücksichtigt werden. Sie muss deshalb mit dem Hauptanspruch im ge...