Rz. 238
Ist eine vertragliche Vergütungsregelung nicht getroffen oder auch aus den verschiedensten Gründen unwirksam, ist nach § 612 Abs. 2 BGB die ortsübliche Vergütung geschuldet. Spiegelbildlich stellt sie den ersatzfähigen Schaden dar. Eine große praktische Bedeutung kommt dieser Variante allerdings nicht mehr zu. Sie wäre eher heranzuziehen, wenn sich – aus welchen Gründen auch immer – die vertragliche Vergütungsvereinbarung als rechtlich unwirksam erweist.
Welche Vergütung für die Inkassotätigkeit als ortsüblich angesehen werden kann, muss im Einzelfall bestimmt oder ggf. im Prozess durch ein Sachverständigengutachten geklärt werden. Alle vorstehend erläuterten Varianten können sich als ortsüblich zeigen. Dabei wird auch hier zunehmend eine Anlehnung an die anwaltlichen Gebühren nach dem RVG ortsüblich sein. Zwingend ist dies allerdings nicht. Je nach Örtlichkeit oder auch Gläubigerbranche können sich abweichende Ortsüblichkeiten herausgebildet haben.
Rz. 239
Hinweis
Die Feststellung einer ortsüblichen Vergütung führt nicht nur zu einem erheblichen zeitlichen Aufwand, sondern auch zu erheblichen Kosten für die Erstellung des Gutachtens durch einen Sachverständigen. Aus diesem Grunde sollte in jedem Fall der Versuch unternommen werden, mit dem Gläubiger eine konkrete Vergütung zu vereinbaren. Dabei kann eine vertragliche Anlehnung an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sachgerecht sein. Dies vermeidet den Streit um die Ortsüblichkeit. Im Erstattungsprozess mit dem Schuldner wird eine Auseinandersetzung um die erstattungsfähige ortsübliche Vergütung meist unwirtschaftlich sein.
Rz. 240
Maßgeblich für die Bestimmung einer ortsüblichen Vergütung sind dabei allein die in einem regional zugänglichen Bereich vorhandenen Inkassodienstleister, nicht etwa alle mit dem Forderungsinkasso befassten Personen. Wollte man alle Personen erfassen, die sich professionell mit dem Forderungsinkasso befassen, würde dies die Einbeziehung der Rechtsanwälte mit sich bringen. Allein aufgrund der hohen Zahl würde dies wiederum zwangsläufig zur Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes als Grundlage der ortsüblichen Vergütung führen. Dies widerspricht aber § 4 Abs. 1 RDGEG, der die unmittelbare Anwendung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes auf Inkassodienstleister gerade ausschließt.
Der BGH hatte sich in seiner Entscheidung vom 3.2.2005 mit den Kostenregelungen eines Inkassodienstleisters auseinanderzusetzen. In diesem Zusammenhang hat er ebenso wie das in der Vorinstanz entscheidende OLG Hamm einen Stundensatz von 50 EUR unbeanstandet gelassen. Dies betrifft aber nur den Fall der Abrechnung nach Einzelleistungen. Die hiernach bestimmte Vergütung müsste dann im Erstattungsverhältnis wiederum der Begrenzung nach § 13e Abs. 1 RDG unterworfen werden.
Rz. 241
Der tatsächliche Aufwand ist von dem Inkassodienstleister zu dokumentieren und im Verfahren über die Berechtigung der Inkassokosten sowohl im Verhältnis zum Gläubiger als Auftraggeber als auch im Verhältnis zum Schuldner im Erstattungsprozess vorzutragen, wenn die Einzelvergütung ortsüblich ist.
Rz. 242
Hinweis
Dabei werden die Anforderungen von den Gerichten unterschiedlich hoch angesetzt.
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Zum Teil wird ein solcher Vortrag bereits als Teil der Schlüssigkeit des Anspruchs angesehen, muss also schon mit der Klageschrift vorgetragen werden. |
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Andere halten einen solchen Vortrag erst dann für erforderlich, wenn der Schuldner die Angemessenheit der Inkassokosten bestreitet. |
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Der Rechtsanwalt im Auftrage des Inkassodienstleisters bzw. des Gläubigers sollte – allein dem Grundsatz des sichersten Weges folgend – den Aufwand schon mit der Klageschrift vortragen, jedenfalls aber um einen rechtlichen Hinweis – der nach § 139 Abs. 2 ZPO nicht ohne Weiteres zu erteilen ist, weil es sich nur um eine Nebenforderung handelt – bitten, ob ein solcher Vortrag für die Schlüssigkeit der Klage als erforderlich angesehen wird. Rein wirtschaftlich erscheint es allerdings sinnvoller, zunächst das Bestreiten abzuwarten, um nicht ohne Not Kalkulationsgrundlagen offen zu legen. |
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Ggf. kann die ortsübliche Vergütung auch abstrakt dargelegt werden und ist dann mit der – im Bestreitensfall zu beweisenden – Tatsache zu verbinden, der Gläubiger habe eine höhere Vergütung gezahlt. |
Rz. 243
In der Rechtsprechung der Amtsgerichte zeigte sich vielfach, dass der Vorrang der vertraglichen Vereinbarungen und des damit konkret begründeten Schadens nicht beachtet und auf eine fiktive ortsübliche Vergütung abgestellt wurde. Dabei wurde das Kriterium der Ortsüblichkeit entgegen der gesetzlichen Regelung und des Normgefüges in der Vergangenheit auch genutzt, um eine Begrenzung der Inkassokosten herbeizuführen.
Zur Bestimmung der Ortsüblichkeit orientierten sich die Gerichte dann an den Rechtsanwaltsgebühren und erkannten Inkassokosten in Höhe der 1,3-Gebühr innerhalb des Rahmens nach Ziffer 2300 VV RVG an. Dabei wurde nicht tatsächlich festgestellt, ob es sich dabei um die ortsüblichen Gebühren handelt. Am Ende e...