I. Einleitung
Rz. 374
Die Praxis zeigt, dass innerhalb des möglicherweise lange andauernden Forderungsbeitreibungsprozesses nicht nur ein Rechtsdienstleister tätig wird, sondern mehrere, insoweit also auch zwischen der Forderungsbeitreibung durch den Rechtsanwalt und den Inkassodienstleister gewechselt wird. Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden:
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Zum einen kann innerhalb der Angelegenheit, etwa der vorgerichtlichen Forderungsbeitreibung zunächst ein Rechtsanwalt und dann ein Inkassodienstleister eingesetzt werden oder umgekehrt. |
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Zum anderen stellt sich für jede Angelegenheit/Leistungsphase dem Gläubiger neu die Frage, ob ein Rechtsanwalt oder ein Inkassodienstleister mit der weiteren Forderungsbeitreibung beauftragt werden soll. So könnte nach der vorgerichtlichen Forderungsbeitreibung durch einen Inkassodienstleister der Rechtsanwalt den Mahnbescheid beantragen. |
Solche Bearbeiterwechsel werden zum Teil vorschnell mit unseriösem Inkasso in Verbindung gebracht. In Beschwerden gegenüber Rechtsanwaltskammern und Registrierungsbehörden wird von einer systematischen Umgehung der Schadensminderungspflicht, der Unterwanderung des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken und gar von "gewerbsmäßigem Betrug" gesprochen. Diese Einschätzung ist vorschnell, entbehrt einer rechtlichen Grundlage und setzt an einer unzutreffenden Fragestellung an. Sie wird in der Rechtsprechung wie von den Rechtsanwaltskammern und den Registrierungsbehörden nicht geteilt.
Hinweis
Die Frage der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens ist schon immer von der Frage zu trennen gewesen, in welchen Verfahren dies geprüft werden kann und welche Folgen dies für die Erstattungsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten jedes einzelnen oder der kumulierten Kosten der Rechtsdienstleister hat. Im gerichtlichen Mahnverfahren fehlt den dort tätigen Rechtspflegern jedenfalls die entsprechende Prüfungskompetenz, da im gerichtlichen Mahnverfahren lediglich eine Plausibilitätskontrolle, nicht aber eine Schlüssigkeitsprüfung stattfindet. Es obliegt dem Schuldner, die Streitfrage durch einen Teilkostenwiderspruch in das streitige Verfahren zu überführen. Es obliegt dann dem Richter, die Streitfrage zu beurteilen.
Auch hier gilt, dass streng zwischen dem Vertragsverhältnis von Gläubiger und Rechtsdienstleister (Abrechnungs- oder Vergütungsverhältnis) und dem Erstattungsverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner zu unterscheiden ist. Im ersten Verhältnis steht es dem Gläubiger selbstverständlich frei, zu wählen, welche Rechtsdienstleister er wann in welcher Reihenfolge einsetzt. Wenn er es – gleich aus welchen Gründen – für sinnvoll oder notwendig erachtet, mehrere Rechtsdienstleister einzusetzen, steht es in seinem Ermessen. Letztlich müssen im Einzelfall die hinreichenden gesetzlichen Bestimmungen und die Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung angewandt werden, um zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen. Rechtskonformes Verhalten als unseriös anzuprangern, ist dagegen nicht dienlich.
Hinweis
Es ist sachgerecht, dass der Schuldner als Verursacher die Kosten der Rechtsverfolgung trägt. Dem RVG liegt dabei mit seinem Vorläufer, der BRAGO, eine anerkannte Systematik zu Grund und Höhe der Rechtsverfolgungskosten zugrunde, die auch mit dem Aufwand korrespondiert. Gerade der vorgerichtliche Rahmen der Geschäftsgebühr gibt nach § 14 RVG auch hinreichenden Raum für die aufwandsbezogene Betrachtung des Einzelfalls. Das Gesetz muss schlicht zur Anwendung gebracht und Einwendungen – soweit der Schuldner solche vorbringt – müssen unter diesen Aspekten geprüft werden.
Rz. 375
Auf dieser Grundlage hat der Gesetzgeber nun mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht mit Wirkung ab dem 1.10.2021 eine Regelung getroffen, die einerseits die verfahrenrechtliche Zulässigkeit des Bearbeiterwechsels anerkannt, andererseits die Erstattung auf die Kosten eines Rechtsdienstleisters in § 13f S. 1 und 2 RDG begrenzt, soweit und solange der Bearbeiterwechsel nicht im Sinne des § 13f S. 3 RDG auf das (zu) späte Bestreiten des Schuldners zurückgeht. Beauftragt also der Gläubiger einer Forderung mit deren Einziehung sowohl einen Inkassodienstleister als auch einen Rechtsanwalt, so kann er nach § 13f S. 1 RDG die ihm dadurch entstehenden Kosten nur bis zu der Höhe als Schaden ersetzt verlangen, wie sie entstanden wären, wenn er nur einen Rechtsanwalt beauftragt hätte. Dies gilt nach § 13f S. 2 RDG für alle außergerichtlichen und gerichtlichen Aufträge. Diese Regeln gelten dagegen nach § 13f S. 3 RDG nicht, wenn der Schuldner die Forderung erst nach der Beauftragung eines Inkassodienstleisters bestritten hat und das Bestreiten Anlass für die Beauftragung eines Rechtsanwalts gegeben hat.