Rz. 423
Es liegt auch acht Jahre nach dem Inkrafttreten des RDG keine vertiefende Literatur zum Konzerninkasso unter den Bedingungen des neuen Rechtes vor, so dass die nachfolgende Darstellung an der unter dem RBerG geführten Diskussion anknüpfen muss, um dabei die sich durch das RDG ergebenden neuen Aspekte mit einzubinden. Die neueren Ansätze hierzu betreffen das Kostenrecht – dazu nachfolgend – und nicht das Berufsrecht. Sie beschränken sich meist auf den Vorwurf, zu Lasten des Verbrauchers würden die Inkassokosten unzulässigerweise und "künstlich" in die Höhe getrieben. Auch von "Vetternwirtschaft" ist die Rede, was medial wirksam sein mag, sich aber der juristischen Prüfung stellen muss. Das mit der Evaluierung des inkassorechtlichen Teils des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom BMJV beauftragt gewesene Institut für Finanzdienstleistungen (iff/Hamburg) behauptete in seinem Schlussbericht vom 5.1.2018, dass "professionell agierende Gläubiger wie z.B. Energiedienstleister und gewerbliche Vermieter" gehalten seien, "die Forderungsbeitreibung selbst zu organisieren". Diese Aufgabe – so das iff – dürfe nicht an einen speziellen, im Konzernverbund stehenden Inkassodienstleister ausgelagert werden, und Inkassokosten dürften den Schuldnern ebenfalls nicht in Rechnung gestellt werden. Hieraus abgeleitet, wurde dem Gesetzgeber vom iff u.a. die Einführung der folgenden Regelung in das neue Gesetz empfohlen: "Unternehmen, von denen die Forderungsbeitreibung als zumutbare Eigenbemühung verlangt werden kann, können diese Obliegenheit nicht dadurch vermeiden, dass sie die Kosten der Übertragung dieser Inkassodienstleistung auf ein verbundenes Unternehmen im Sinne der §§ 15 ff. AktG den Schuldnern in Rechnung stellen". Dieser "Empfehlung" schloss sich das BMJV indes nicht an, u.a. mit dem durchaus zutreffenden Argument, dass es schwierig wäre, "im Sinne des iff-Schlussberichts (S. 35) definieren zu wollen, ab wann einem Unternehmen der Forderungseinzug als "zumutbare Eigenbemühung möglich sein soll."" Ebenso wenig sah der Deutsche Bundestag einen Anlass, der "Empfehlung" des iff zu folgen, als dieser das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht am 27.11.2020 verabschiedete.
Neue Nahrung hat die Diskussion trotzdem durch die – behauptete, aber nicht begründete – Bemerkung im Gesetzentwurf erhalten, dass eine Regelung des Konzerninkasso auch deshalb nicht notwendig sei, weil "bei derartigen Konstruktionen zumindest zweifelhaft (sei) ob schadensersatzrechtlich ein Anspruch auf Erstattung der Kosten besteht, die das einziehende Unternehmen dem mit ihm verbundenen Unternehmen in Rechnung stellt, das Inhaber der Forderung ist (ablehnend hierzu AG Dortmund, MDR 2021, S. 1220; Jäckle, VuR 2016, S. 60)." Zugleich wurde aber auch herausgearbeitet, dass es schwierig wäre, "im Sinne des iff-Schlussberichts (S. 35) definieren zu wollen, ab wann einem Unternehmen der Forderungseinzug als zumutbare Eigenbemühung möglich sein soll." Das ist widersprüchlich und befriedet die Diskussion nicht. Der Ball wurde der Rechtsprechung zugespielt.
Tatsächlich ist es nicht schwierig, die Anforderungen an die geschuldeten – nicht notwendigen – Eigenbemühungen der Gläubigers – wie in diesem Buch geschehen – zu definieren und dann zu der Erkenntnis zu kommen, dass es unerheblich bleibt, wer die überobligatorischen Tätigkeiten ausführt. Für die Erstattungsfähigkeit ist entscheidend was getan wird, nicht wer es tut.
Nachfolgend soll zunächst die berufsrechtliche, dann die kostenrechtliche Perspektive mit juristischen Argumenten beleuchtet werden.
Rz. 424
Michalski hat in einem Aufsatz aus dem Jahre 1994 die Auffassung vertreten, dass das Inkasso durch ein konzernabhängiges Unternehmen ein Verstoß gegen Art. 1 § 1 RBerG darstelle. Diese Ausführungen hat er später wiederholt. Für die gewerbsmäßige Einziehung fremder Forderungen sei eine Inkassoerlaubnis erforderlich. Der Einzug einer nicht fremden Forderung durch eine andere Person als den Forderungsinhaber (= konzerngebundenes Unternehmen) sei nicht erlaubnispflichtig, zugleich aber auch nicht erlaubnisfähig. Dies mündet in seiner Feststellung, dass "bei mangelnder Identität von Gläubiger und Einziehendem dessen unternehmerische und nicht nur im Einzelfall ausgeübte Inkassotätigkeit dann verboten ist und damit auch keine Erlaubnis nach dem RBerG erteilt werden kann, wenn dafür die Voraussetzungen des Art. 1 § 1 RBerG nicht vorliegen." Genau dies sei aber bei konzerngebundenen Unternehmen der Fall, da diese gerade keine fremden Forderungen einziehen würden. Die Beurteilung, ob eine Forderung "fremd" sei, sei nämlich anhand des wirtschaftlichen Interesses und nicht aufgrund der Rechtsinhaberschaft zu entscheiden. Auch liege keine geschäftsmäßige Besorgung vor, da die Tätigkeit im Konzernverbund weisungsgebunden ausgeübt werde. Soweit gleichwohl eine Inkassoerlaubnis erteilt worden sei, erstrecke sich diese nicht auf die Einziehung der For...