1. Begrifflichkeiten für Werte in den Kostengesetzen
Rz. 305
Der Wert im RVG wird als "Gegenstandswert" bezeichnet (§ 2 Abs. 1 RVG), das GKG hingegen spricht von Streitwerten (§ 3 Abs. 1 GKG), das FamGKG von Verfahrenswerten (§ 3 Abs. 1 FamGKG) und für Notare gilt die Wertbezeichnung gem. GNotKG als Geschäftswert (§ 3 Abs. 1 GNotKG).
2. Allgemeine Wertvorschrift
Rz. 306
Regelungen über die vom Rechtsanwalt für seine Gebühren zugrunde zu legenden Gegenstandswerte finden sich in den §§ 22 ff. RVG. § 23 Abs. 1 S. 1 RVG verweist zunächst in gerichtlichen (Erkenntnis-)Verfahren auf die für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften, mithin auf das GKG. Die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren durch das Gericht ist für den Rechtsanwalt nach § 32 RVG und damit über § 13e RDG auch für den Inkassodienstleister maßgebend. Zur Streitwertbemessung greift das Gericht hier auf die §§ 39–60 GKG und über § 48 Abs. 1 S. 1 GKG auf §§ 3 ff. ZPO zurück. § 23 RVG ist als allgemeine Wertvorschrift zu verstehen.
Für die Tätigkeiten eines Rechtsdienstleisters außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens gelten gem. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG ggfs. i.V.m. § 13e RDG ebenfalls die zuvor genannten Wertvorschriften, sofern der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte. Dementsprechend sind in den überwiegenden Fällen bei der Bezifferung des Gegenstandswertes für die anwaltlichen Gebühren dieselben Wertvorschriften für die vorgerichtliche und gerichtliche Tätigkeit anzuwenden.
Den hier erörterten Inkassodienstleistungen als Ausgangspunkt der Beauftragung des Rechtsdienstleisters liegen schon nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 RDG Forderungen in Form von Zahlungsansprüchen zugrunde. An der Anwendbarkeit von §§ 23 Abs. 1 S. 3 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 i.V.m. §§ 34, 43 GKG ist mithin nicht zu Zweifeln.
Vorgerichtlich ist deshalb ebenso wie im gerichtlichen Mahnverfahren und im streitigen Erkenntnisverfahren auf die Hauptforderung als Gegenstandswertbestimmend abzustellen. Die Nebenforderungen, mithin Mahnspesen, Ermittlungskosten, Gerichts- und Gerichtsvollzieherkosten (für Zustellungen), Zinsen und die Vergütung der Rechtsdienstleister bleiben mithin bei der Gegenstandbestimmung außer Betracht.
3. Spezielle Wertvorschriften bei der Einigung und in der Vollstreckung
Rz. 307
In Ergänzung zur allgemeinen Wertvorschrift des § 23 RVG ergeben sich aus den §§ 23a–31b RVG speziellere Regelungen. Entsprechend dem allgemeinen Lex-specialis-Grundsatz hat die Anwendung der spezielleren Vorschriften Vorrang vor der allgemeinen Regelung gem. § 23 RVG.
Bei der Bearbeitung von Forderungsmandaten sind die speziellen Wertvorschriften gem. § 25 RVG (Vollstreckung und Vollziehung), § 26 RVG (Zwangsversteigerung), § 27 RVG (Zwangsverwaltung), § 28 RVG (Insolvenzverfahren) und insbesondere § 31b RVG (Zahlungsvereinbarungen) zu beachten und von besonderer Bedeutung.
Ist es in der Zwangsvollstreckung lange Praxis, dass nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 RVG auf die Gesamtforderung zur Bestimmung des Gegenstandswertes abzustellen ist, der nach § 25 Abs. 1 Nr. 4 bei der Vermögensauskunft auf 2.000 EUR gedeckelt ist, wurde die Deckelung mit dem Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht bereits mit Wirkung zum 1.1.2021 auf die vom Gerichtsvollzieher nach § 802l ZPO einzuholenden Drittauskünfte erweitert.
Bei der Erbringung von Inkassodienstleistungen von besonderer Bedeutung ist § 31b RVG, da Zahlungsvereinbarungen ein zentrales Instrument zur Lösung einer vorübergehend gestörten Leistungsfähigkeit des Schuldners sind. Ist Gegenstand der Einigung eine Zahlungsvereinbarung nach Nr. 1000 Nr. 2 VV RVG, d.h. eine Vereinbarung, die lediglich das "wie" der Zahlung betrifft, beträgt der Gegenstandswert 50 Prozent des Anspruchs. Es ist also zunächst der Anspruchswert zu bestimmen, über den man sich einigt und dieser dann zu halbieren.
Hinweis
Die Erhöhung des Prozentsatzes von 20 % auf 50 % soll die noch darzustellende massive Kürzung des Gebührensatzes teilweise ausgleichen. Dies kann aber nicht gelingen, weil sich die Regelung des § 31b RVG bei den besonders betroffenen Forderungen bis 500 EUR überhaupt nicht auswirkt. Die Annahme des Gesetzgebers, dass die bisherige Einigungsgebühr den Aufwand überkompensiere, ist durch rechtstatsächliche Untersuchungen nicht belegt. Es wird übersehen, dass es einen erheblichen Aufwand bereitet, der in seinem zeitlichen Umfang eine Rechtsprüfung deutlich übersteigen kann, wenn die Leistungsfähigkeit des Schuldners verifiziert, daraus eine "optimale", d.h. für beide Seiten angemessene Rate entwickelt und zuletzt eine rechtlich tragfähige Vereinbarung geschlossen werden muss, die den berechtigten Sicherungsbedürfnissen des Gläubigers Rechnung trägt. Die Gesetzesbegründung behauptet einen geringeren Aufwand, ohne diese Behauptung zu begründen oder mit Rechtstatsachen zu untermauern. Ein Versäumnis einer völlig missglückten Evaluation in den Jahren 2016 bis 2018.
Rz. 308
§ 31b RVG ist nicht anzuwenden, wenn Streit oder Ungewissheit über die Berechtigung der ein...