1. Einleitung
Rz. 82
Wiederholt hat der Europäische Gesetzgeber Bemühungen unternommen, die Zahlungsmoral des Schuldners durch angemessene Sanktionen zu verbessern. Ein Aspekt, der in der nationalen Diskussion in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle spielt. Ausgangspunkt ist zunächst die Zahlungsverzugs-Richtlinie aus dem Jahre 2000 gewesen. Nachdem die dort begründeten Maßnahmen keine signifikanten Verbesserungen erreichen konnten, hat die EU am 16.2.2011 eine Neufassung der Zahlungsverzugsrichtlinie beschlossen und die Regelungen weiter verschärft.
Motiv und Ziel der Neufassung haben die Richtliniengeber klar formuliert. Der Zahlungsverzug begründet einen Vertragsbruch, der für die Schuldner in den meisten Mitgliedsstaaten durch niedrige Verzugszinsen und langsame Beitreibungsverfahren finanzielle Vorteile bringe. Daher sei ein durchgreifender Wandel erforderlich, der eine Kultur der unverzüglichen Zahlung begründen und von der Überschreitung der Zahlungsfristen abschrecken könne. Diese für das B2B formulierten Grundsätze gelten in gleicher Weise für B2C und C2B auch wenn diese Einziehungsbereiche nicht Regelungsgegenstand der Richtlinie sind. Der Erreichung der formulierten Ziele sollen die Einführung besonderer Bestimmungen zu Zahlungsfristen und zur Entschädigung der Gläubiger für die ihnen entstandenen Kosten dienen.
Die Richtlinie (2011/7/EU) sah u.a. die Anhebung des gesetzlichen Verzugszinses bei Nichtverbrauchern vor (Art. 2 Nr. 6). Darüber hinaus regelt sie Höchstgrenzen für vertraglich festgelegte Zahlungsfristen, für den vertraglich festgelegten Verzugseintritt sowie für die Dauer von vertraglich vereinbarten Abnahme- und Überprüfungsverfahren (Art. 3 und 4). Ferner verpflichtet die Richtlinie in Art. 6 die nationalen Gesetzgeber, einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrages bei Zahlungsverzug einzuführen.
Der Bundesgesetzgeber hat am 29.7.2014 mit dem "Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr" der Umsetzungsverpflichtung entsprochen und die v.g. Regelungen in das BGB eingefügt. Aus dem Blickwinkel des Forderungsmanagements wirft insbesondere der auf Art. 6 der Richtlinie basierende und in § 288 Abs. 5 BGB begründete Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrages bei Zahlungsverzug (Entschädigungspauschale) praktische Fragen auf.
Art. 6 der Richtlinie lautet:
Zitat
(1) Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen gemäß Artikel 3 oder Artikel 4 im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrages von mindestens 40 EUR hat.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der in Absatz 1 genannte Pauschalbetrag ohne Mahnung und als Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers zu zahlen ist.
(3) Der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem in Absatz 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten. Zu diesen Kosten können auch Ausgaben zählen, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.
Insbesondere mit dem letzten Satz ist die Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten europarechtlich anerkannt worden. Die Formulierung hat aber keinen gleichlautenden Eingang in das BGB gefunden. Der deutsche Gesetzgeber hat keinen Umsetzungsbedarf gesehen, weil die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten nach seiner Ansicht schon heute über §§ 280, 286 BGB gesichert sei. Diese Sichtweise begründet aber eine Umkehrsperre. Dem nationalen Gesetzgeber ist es verwehrt, Forderungen nach einer Abschaffung der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten, wie es von einer Fraktion im Deutschen Bundestag gefordert wurde, nachzugeben. Dies ist für B2B europarechtlich verboten und für B2C und C2B über den Gleichheitssatz in entsprechender Weise nicht disponibel.
Die Umsetzungsvorgabe in Art 6 Abs. 1 der Richtlinie ist in § 288 Abs. 5 BGB übernommen worden. Dort heißt es:
Zitat
Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 EUR. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
Im Gegensatz zur vorstehend dargestellten restriktiven Umsetzung der Vorgabe in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7/EU durch den deutschen Gesetzgeber, soweit es um die positive Regelung der Erstattungsfähigkeit von Rechtsverfolgungskosten geht, hat er mit § 288 Abs. 5 S. 1 BGB die Richtlinie 2011/7/EU überschießend umgesetzt. Nach der Intention des Richtliniengebers sollte der Anwendungsbereich der Richtlinie auf die als Entgelt für Handelsgeschäfte geleisteten Zahlungen beschränkt sein und u.a. nicht Ges...