Dr. iur. Kerstin Diercks-Harms, Dr. iur. Rüdiger Brodhun
I. Mandatierung und Mandatsbeendigung
Rz. 22
Ist zu befürchten, dass der Mandant – speziell aufgrund einer drohenden Insolvenz – unzuverlässig ist und später gar nicht mehr reagieren wird, sollte sorgfältig geprüft werden, ob ein solches Mandat überhaupt angenommen wird. Es könnte eventuell ein Vorschuss gemäß § 9 RVG auf die anwaltlichen Gebühren verlangt werden, sodass das Mandat umgehend niederlegt werden kann, wenn jegliche Reaktionen ausbleiben. Vertritt man den (drohend zahlungsunfähigen und unzuverlässigen) Mandanten bereits gerichtlich, ist für das weitere Vorgehen zu differenzieren:
Rz. 23
Bei Verfahren mit Anwaltszwang, § 78 ZPO, dauert die Vertretungsmacht trotz Kündigung oder Mandatsniederlegung bis zur Bestellung eines neuen postulationsfähigen Rechtsanwalts gegenüber dem Gericht fort, § 87 Abs. 1, Hs. 2 ZPO. Bis dahin muss der Bevollmächtigte als bisheriger Anwalt alle Zustellungen und Ladungen entgegennehmen sowie alle erforderlichen Rechtshandlungen erledigen. Anderenfalls droht die Haftung nach § 671 Abs. 2 BGB.
Rz. 24
Bei Verfahren ohne Anwaltszwang muss man nach eigener Kündigung keine Zustellungen mehr entgegennehmen, darf dies aber, § 87 Abs. 2 ZPO. Zu empfehlen sein dürfte, sich gegen eine Weiterführung der Sache zu entscheiden.
Rz. 25
Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, § 27 InsO, erlischt eine bereits erteilte anwaltliche Vollmacht, §§ 115, 116 InsO. Der Mandant ist wegen § 80 InsO nicht mehr prozessführungsbefugt. Schriftsätze und Verfügungen werden dann ausschließlich an den Insolvenzverwalter zugestellt. Ein Gerichtsverfahren ist unterbrochen, § 240 ZPO.
II. Gebührenrechtliche Fragen
Rz. 26
Unter gebührenrechtlichen Aspekten ist die Übernahme eines Mandates problematisch, wenn erkennbar ist, dass dem Mandanten eine Insolvenz droht. Dann muss der Rechtsanwalt fürchten, seine Gebühren nicht mehr einfordern zu können oder erhaltene Leistungen sogar zurückzahlen zu müssen. Insofern muss der Rechtsanwalt Obacht geben, dass keine inkongruente Deckung gemäß § 131 InsO gegeben ist. Gebührenforderungen oder -zahlungen können aber eventuell als sog. Bargeschäft im Sinne von § 142 InsO angesehen werden, sodass ein später berufener Insolvenzverwalter die vom Mandanten erbrachten Zahlungen nur unter den strengeren Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO anfechten und damit zurückverlangen kann.
Rz. 27
Soweit an einen Rechtsanwalt Vorschusszahlungen in einer abgeschlossenen Angelegenheit erfolgen, für die bereits der Vergütungsanspruch fällig geworden, jedoch nicht geltend gemacht ist, sind die Leistungen inkongruent.
Rz. 28
Erbringt ein Rechtsanwalt Vorleistungen, die der inzwischen in der Krise befindliche Mandant mehr als 30 Tage später vergütet, handelt es sich nicht mehr um ein anfechtungsrechtlich privilegiertes Bargeschäft.
Rz. 29
Für die anwaltliche Tätigkeit ergeben sich folgende Konsequenzen:
▪ |
Hat der Rechtsanwalt seine Bearbeitung noch nicht abgeschlossen, kann er mangels Fälligkeit gemäß § 8 Abs. 1 RVG nur einen Vorschuss nach § 9 RVG verlangen. Eine Zahlung des Mandanten auf eine noch nicht fällige Gebührenforderung wäre inkongruent nach § 131 InsO und somit anfechtbar und damit an den Insolvenzverwalter zurückzuzahlen. |
▪ |
Falls der Rechtsanwalt seine bereits erbrachte Dienstleistung noch nicht abgerechnet hat, wäre eine Bezahlung ebenfalls eine inkongruente Leistung und somit anfechtbar. |
Rz. 30
Nach der Rechtsprechung des BGH scheidet eine Anfechtung durch den Insolvenzverwalter aus, wenn die Zahlungen als Bargeschäft gemäß § 142 InsO bevorzugt behandelt werden können: Dazu ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Leistung und der Gegenleistung (Zeitraum zwischen der Mandatsannahme/dem Tätigkeitsbeginn und der Bezahlung der Gebührenrechnung) erforderlich. Ein Bargeschäft scheidet aus, wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Bezahlung mehr als 30 Tage liegen.
Rz. 31
Konsequenz: Der Rechtsanwalt sollte in regelmäßigen Zeitabständen Vorschüsse – z.B. mit festen monatlichen Teilleistungen (jedoch keine Ratenzahlungen!) – verlangen, wobei der Höhe nach eine "wertäquivalente Vergütung" für die nächsten 30 Tage nicht überschritten werden darf. Die unterzeichnete Rechnung muss nach § 10 Abs. 1 S. 1 RVG dem Auftraggeber mitgeteilt werden. Zahlt der Mandant laufend verspätet oder hält er Zahlungsziele nicht mehr ein, sind solche Zahlungen anfechtbar. Das Mandat sollte beendet werden. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt Folgendes:
Zitat
"Insbesondere können auch Dienstleistungen eines Rechtsanwalts Bargeschäfte sein. Bei länger währenden Vertragsbeziehungen ist dafür zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar und zeitnah – entweder in Teilen oder abschnittsweise – ausgetauscht werden. Wenn zwischen dem Beginn der anwaltlichen Tätigkeit und der Erbringung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen, ist ein Bargeschäft zu verneinen. Rechtsanwälte werden dadurch nicht unangemessen benachteiligt, denn sie können jederzeit Vorschüsse verlangen. Allerdings sind die Voraussetz...