Rz. 171
Wenn der Rechtsanwalt vorgerichtlich an der Gestaltung eines Vertrages mitwirkt, so kann diese Tätigkeit mithilfe des RVG abgegolten werden. Insbesondere billigt das RVG dem Rechtsanwalt in Anm. 2.3. (3) VVR RVG auch die Entstehung der Geschäftsgebühr für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags zu.
Rz. 172
Eine Mitwirkung ist auf jeden Fall gegeben, wenn der Rechtsanwalt diesen Vertrag entwirft. Es entspricht auch mittlerweile der gängigen Rechtsprechung, dass der Rechtsanwalt auch wenn er nicht nach außen hervortritt, sondern lediglich Änderungsvorschläge für einige Klauseln macht, die Geschäftsgebühr für seine Mitwirkung verdient hat. Kommt es nicht zu derartigen Änderungsvorschlägen, kann es problematisch werden, ob eine Geschäftsgebühr entsteht oder sich der Anwalt nur im Bereich der Beratung bewegt.
Ausschlaggebend für die Überlegung ist der Zeitpunkt der Auftragserteilung. Der Rechtsanwalt kann in diesem Moment noch nicht absehen, ob Änderungen notwendig werden oder der Vertrag "durchgewunken" werden kann. Dennoch muss er sich hier entscheiden, ob er eine Vergütungsvereinbarung treffen muss oder sich auf die Gebühren des RVG verlassen kann und lediglich eine Aufklärung über die Berechnung der Gebühren nach dem Gegenstandswert vornehmen muss. Der einzige Anhaltspunkt, der ihm zu diesem Zeitpunkt vorliegt, ist der Auftrag des Mandanten. Dieser wird damit zum Schlüssel der Beurteilung dieser Rechtsfrage.
Umfasst der Auftrag allein die Prüfung des Vertrages und die Beurteilung, ob der Vertrag zu diesen Konditionen abgeschlossen werden kann, so bewegt sich der Rechtsanwalt im Bereich der Beratung. Er kann keine Geschäftsgebühr geltend machen. Beinhaltet der Auftrag aber auch bei Bedarf Änderungsvorschläge zu machen, so geht der Auftrag auch dahin, bei der Gestaltung des Vertrages mitzuwirken. In diesen Fällen entsteht die Geschäftsgebühr auch dann, wenn es aus welchen Gründen auch immer nicht zu einer tatsächlichen Mitwirkung an der Gestaltung kommt.
Rz. 173
Ob nun auch der Entwurf einseitiger Anschreiben, die der Mandant dann in eigenen Namen verschickt die Geschäftsgebühr auslöst, ist umstritten. Dem Wortlaut nach umfasst Vorbem. 2.3 (2) VV RVG aber nur die Mitwirkung bei der Gestaltung von Verträgen. Diese stellen praktisch betrachtet eher eine Beratungssituation dar. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in Vorbem. 2.3 (2), 2. Alt. VV RVG gerade eine Ausnahmeregelung für Verträge geschaffen. Einseitige Handlungen des Mandanten zu beeinflussen ist aber gerade das Charakteristikum der Beratung. Folgerichtig wäre der Entwurf einseitiger Schreiben oder von Vorlagen für Serienschreiben nicht mit einer Geschäftsgebühr abzugelten. Hier müsste eine Vergütung für die Beratung vereinbart werden.
Praxistipp:
Für den Entwurf von Kündigungsschreiben, Betriebskostenabrechnungen, Mieterhöhungsschreiben, Modernisierungsankündigungen und ähnliche Handlungen, die vom Vermieter selbst oder seiner Hausverwaltung versandt werden, sollte immer eine Vergütungsvereinbarung getroffen werden.
Rz. 174
Die Mitwirkung bei Vertragsverhandlungen kann auch eine Einigungsgebühr auslösen. Wenn der Vertrag einen Rechtsstreit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis erledigt, ist dies nach Nr. 1000 Anm. (1) Nr. 1 VV RVG opportun. Doch auch die bloße Mitwirkung an den Vertragsverhandlungen, die keine streitentscheidende Wirkung haben, löst nach Nr. 1000 Anm. (2) VV RVG die Einigungsgebühr aus. Voraussetzung ist hier nur, dass die Mitwirkung für den Vertragsabschluss mitursächlich geworden ist. Es reicht dabei, wenn eine Tätigkeit entfaltet wird und der Rechtsanwalt nicht in völlig unbedeutender Weise kausal tätig geworden ist. Die Formulierung geht dabei davon aus, dass bei einer entsprechenden Beteiligung des Rechtsanwaltes die Mitursächlichkeit vermutet wird. Der Mandant ist für die Nichtursächlichkeit beweispflichtig.
Rz. 175
Eine Terminsgebühr kann auch für die Besprechung mit Gegnern anfallen, die außerhalb gerichtlicher Termine stattfinden; Vorbem. 3 (3) Nr. 2 VV RVG. Dennoch ist die Terminsgebühr für die Mitwirkung bei Vertragsverhandlungen eher die Ausnahme. Die Entstehung der Terminsgebühr setzt nämlich die Erteilung eines Auftrages zur Vertretung im gerichtlichen Verfahren oder im Verfahren der Zwangsvollstreckung voraus. Der zusätzliche Aufwand kann in den übrigen Fällen nur über eine Erhöhung der Geschäftsgebühr abgegolten werden.
Rz. 176
Beispiel:
Rechtsanwalt C. Lever erhält von Karl Norrig den Auftrag ihn bei der Aushandlung eines Gewerbemietvertrages zu unterstützen. Einen Vertragsentwurf der Gegenseite legt er vor. Der Rechtsanwalt erteilt nach Prüfung den rechtlichen Hinweis, dass die Schönheitsreparaturklausel unwirksam, dies für den Mandanten als Mieter aber nicht nachteilig sei. Die übrigen Klauseln seien akzeptabel. Da der Mandant jedoch mit der vorgeschlagenen Staffelmiete von anfänglich 1.000,00 EUR/Monat nicht einverstanden ist, bittet er seinen Rechtsanwalt, ihn zu den...