1. Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 3200, 3207, 3208 VV RVG
Rz. 126
Mit Erteilung eines unbedingten Klageauftrages oder Auftrages zur Vertretung in einem Arrestverfahren oder im einstweiligen Rechtsschutz fällt die Verfahrensgebühr für die gerichtliche Tätigkeit nach Nr. 3100 VV RVG an. Die Gebühr beträgt 1,3 Gebühren. Im Berufungs- oder Revisionsverfahren beträgt die Gebühr sogar 1,6 Gebühren nach Nr. 3200, 3207 VV RVG, vor dem BGH nach Nr. 3208 VV RVG sogar 2,3 Gebühren. Der Klageauftrag muss die Führung des gesamten Prozesses, nicht etwa nur die Einreichung eines Schriftsatzes umfassen. Für Einzeltätigkeiten sind die Gebührentatbestände der Nr. 3400 ff. VV RVG heranzuziehen.
Unbedingt ist der Klageauftrag erst dann, wenn der Mandant die Weisung erteilt, im Klageverfahren tätig zu werden und keine – auch keine aufschiebende – Bedingung mehr an diese Tätigkeit stellt. Für eine Bedingung ist es schon ausreichend, wenn der Mandant vorrangig die außergerichtliche Klärung versuchen will und lediglich "wenn nötig" klagen will. Auch die Anweisung, zunächst noch eine letzte Mahnung zu versuchen oder in einem Telefonat mit der Gegenseite einen klagevermeidenden Vorschlag zu unterbreiten, verhindert das Vorliegen des unbedingten Klageauftrages.
Rz. 127
Die Gebühr wird in voller Höhe ausgelöst, indem der Rechtsanwalt seine erste Tätigkeit als Prozessbevollmächtigter ausübt. Diese Tätigkeit besteht regelmäßig in der Entgegennahme der zur Mandatsbearbeitung notwendigen Unterlagen und Informationen. Die lässt die Gebühr nach Nr. 3101 VV RVVG zunächst in Höhe von 0,8 Gebühren entstehen. Erst mit Einreichung des ersten vorbereiteten Schriftsatzes bei Gericht entsteht die Gebühr in voller Höhe. Die Schriftsätze können Anträge –materiell wie prozessleitend – oder Sachvortrag enthalten.
Rz. 128
Mit der Verfahrensgebühr sind sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwaltes im gerichtlichen Verfahren abgegolten. Dazu gehören Besprechungen mit dem Mandanten, Informationsbeschaffungen, Recherchen, Fertigung von Schriftsätzen sowie Korrespondenz mit der Gegenseite und Dritten. Erfasst ist auch die Tätigkeit im Kostenfestsetzungsverfahren.
Lediglich für die Wahrnehmung von Terminen bei Gericht und mit Dritten (Nr. 3104 VV RVG) und die Teilnahme an besonders umfangreichen Beweisverfahren (Nr. 1010 VV RVG) bei mehr als 3 Beweisterminen mit der Vernehmung von Sachverständigen und Zeugen sowie für die Einigung (Nr. 1003 VV RVG) können noch zusätzliche Gebühren entstehen.
Rz. 129
Wird die Forderung zunächst in einem Urkunds- oder Wechselprozess geltend gemacht und später nach einem Vorbehaltsurteil im Hauptverfahren weiter verfolgt, so gelten beide Verfahren als eigene Angelegenheit, § 17 Nr. 5 RVG. Allerdings müssen die Verfahrensgebühren aus dem vorausgegangenen Urkundsverfahren oder Wechselprozess im späteren Hauptsacheverfahren angerechnet werden. Mit den Gesetzesänderungen vom 1.1.2021 gilt die Anrechnungsvorschrift durch ihren Umzug in die Vorbemerkungen 3 unter Absatz 7 anders als zuvor für eine Abstandnahme vom Urkundsprozess nicht nur in der ersten Instanz, sondern auch in der Berufung.
2. Erledigung vor Einreichung des Schriftsatzes, Nr. 3101, 3202, 3207 VV RVG
Rz. 130
Die Verfahrensgebühr reduziert sich nach Nr. 3101 VV RVG auf nur noch 0,8 Gebühren bei Berufung oder Revision nach Nr. 3201, 3207 VV RVG auf 1,1 Gebühren, wenn sich der Auftrag erledigt, bevor der Rechtsanwalt
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die Klage oder das Rechtsmittel, |
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den ein Verfahren einleitenden Antrag oder |
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einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags oder Rechtsmittels enthält, |
eingereicht oder
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bevor er ohne Einreichung weiterer Schriftsätze einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. |
Im Umkehrschluss lassen die genannten Tätigkeiten also die vollen Verfahrensgebühren entstehen.
Das Einreichen ist bereits gegeben, wenn der Rechtsanwalt den Schriftsatz zur Post gegeben hat und den Zugang nicht mehr beeinflussen kann. Dies soll sogar dann gelten, wenn der Schriftsatz das Gericht nicht mehr erreicht, weil er z.B. in der Post verloren ging oder wegen eines Streiks nicht oder erst wesentlich später zugestellt wurde.
Rz. 131
Allein die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft lässt noch keine volle Verfahrensgebühr entstehen. Ist diese Anzeige jedoch mit einem Antrag oder mit einem ersten Sachvortrag verbunden, wird mit dem Einreichen des Antrages auch hier schon die volle Gebühr fällig.
Praxistipp:
Dieser Umstand legt nahe, bereits erste Anträge in der Anzeige der Verteidigungsbereitschaft zu erklären. Dennoch sollte zuvor geprüft werden, ob mit diesem Schritt nicht ein sofortiges Anerkenntnis torpediert wird. Die Kostenfolge des § 93 ZPO tritt nur dann ein, wenn noch vor der Stellung eines Abweisungsantrages ein Anerkenntnis erfolgt. Anderenfalls ist das Anerkenntnis nicht mehr sofort erfolgt.
Rz. 132
Die reduzierte Verfahrensgeb...