Rz. 321
Sofern im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist, ist die Gesellschaft (als Schuldnerin) nach § 728 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet, den ausgeschiedenen Gesellschafter
▪ |
von der Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu befreien (1. Alt. – Befreiungsanspruch als Anspruch auf Befreiung von der persönlichen Haftung für fällige Gesellschaftsverbindlichkeiten nach § 721 BGB) und ihm |
▪ |
eine dem Wert seines Anteils angemessene Abfindung zu zahlen (2. Alt. – Abfindungsanspruch). |
Rz. 322
Der Abfindungsanspruch muss im Interesse eines Schutzes des ausgeschiedenen Gesellschafters "angemessen" sein, d.h. ein vollwertiges Äquivalent für den durch das Ausscheiden aus der GbR bedingten Verlust der Mitgliedschaft. Dies bemisst sich (in Abweichung zu § 738 Abs. 2 BGB alt) nach dem "wahren" (bzw. "wirklichen") Wert des Gesellschaftsanteils, "der sich im Regelfall indirekt aus dem Unternehmenswert ableitet". Infolgedessen ist i.d.R. zunächst der Wert des Gesellschaftsvermögens in toto und alsdann der Wert des Anteils des ausgeschiedenen Gesellschafters "anhand seiner Beteiligung im Verhältnis zu derjenigen der verbleibenden Gesellschafter [zu ermitteln]" – quotaler Anteil des Unternehmerwerts. Bestimmte Bewertungsmethoden werden nicht vorgegeben (Prinzip der Methodenoffenheit – Freiraum der Gesellschafter).
Rz. 323
Für den Abfindungsanspruch nach § 728 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB haften gemäß § 721 BGB auch die übrigen Gesellschafter unbeschränkt persönlich.
Sind Verbindlichkeiten der Gesellschaft noch nicht fällig, kann die Gesellschaft gemäß § 728 Abs. 1 S. 2 BGB dem Ausgeschiedenen Sicherheit leisten, statt ihn von der Haftung nach § 721 BGB zu befreien (Sicherheitsleistung).
Beachte:
Ein Rückgabeanspruch der vom ausgeschiedenen Gesellschafter der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen Gegenstände (vgl. § 738 Abs. 1 BGB alt) wird nicht mehr ausdrücklich geregelt, "weil sich dies [d.h. die entsprechende Verpflichtung] nach der zugrundeliegenden Vereinbarung [die der Überlassung der Gegenstände zugrunde liegt] von selbst versteht", ebenso wenig wie die vormalige Klarstellung in § 732 S. 2 BGB alt (wonach mangels Verschuldens beim Untergang oder bei einer Verschlechterung des überlassenen Gegenstands ein Schadensersatzanspruch ausscheidet).
Rz. 324
Der Abfindungs- wie auch der Befreiungsanspruch entstehen im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters (arg.: Wortlaut "den ausgeschiedenen Gesellschafter").
Rz. 325
Die Ansprüche sind – wie bisher auch – grundsätzlich dispositiver Natur. Entsprechende gesellschaftsvertragliche Abfindungsvereinbarungen oder -klauseln (bspw. über die Modalitäten oder die Höhe des Abfindungsanspruchs) sind bis zur Grenze des § 138 BGB möglich (Wirksamkeitskontrolle), ein Abfindungsausschluss soll hingegen nur im Ausnahmefall zulässig sein.
Der Gesetzgeber hat damit nicht den vom 71. DJT empfohlenen Vorrang einer Ausübungs- vor einer Wirksamkeitskontrolle entsprochen.
Beachte:
Der BGH legt bei der Wirksamkeitskontrolle von Abfindungsklauseln (Verstoß gegen § 138 BGB im Zeitpunkt des Vertragsschlusses) ein zweistufiges Prüfprogramm zugrunde: Damit ist Sittenwidrigkeit dann anzunehmen, wenn der Abfindungsbetrag vollkommen außer Verhältnis zur Beschränkung steht, die erforderlich ist, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand und die Fortführung des Unternehmens zu sichern.