Rz. 357
Ein Gesellschafter kann die Gesellschaft nach § 731 Abs. 1 S. 1 BGB jederzeit aus "wichtigem Grund" ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (mit auflösender Wirkung) kündigen (jederzeitige Auflösbarkeit einer Dauerrechtsbeziehung aus wichtigem Grund als allgemeines Prinzip), wenn ihm (als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips) die Fortsetzung der Gesellschaft nicht zuzumuten ist. Die Auflösungskündigung unterscheidet sich damit vom OHG-Recht, das ein Auflösungsurteil (§ 139 Abs. 1 HGB – Auflösung durch gerichtliche Entscheidung) zur Voraussetzung hat.
Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit vorrangig vor einer Kündigung der Gesellschaft sind bspw. den Umständen des Einzelfalls entsprechend
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die Kündigung der Mitgliedschaft (§ 725 BGB), |
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die Ausschließung des störenden Gesellschafters aus "wichtigem Grund" durch Beschluss der übrigen Gesellschafter (§ 727 BGB), |
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die Entziehung der Geschäftsführungs- (§ 715 Abs. 5 BGB) und Vertretungsbefugnis (§ 720 Abs. 4 i.V.m. § 715 Abs. 5 BGB) oder |
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eine Anpassung des Gesellschaftsvertrags. |
Rz. 358
Ein "wichtiger Grund" liegt grundsätzlich dann vor, wenn "dem kündigenden Gesellschafter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses bis zu einer vereinbarten Beendigung der Gesellschaft oder bis zum Ablauf einer vereinbarten Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann, weil die Förderung des gemeinsamen Zwecks wegen wirtschaftlicher oder in der Person eines anderen Gesellschafters liegender Umstände dauerhaft schwer beeinträchtigt ist". Die Auflösungskündigung steht unter einem besonderen Verhältnismäßigkeitsvorbehalt, da "sie im Unterschied zur Austrittskündigung [§ 725 Abs. 2 BGB] eine Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses auch für die anderen Gesellschafter zur Folge hat".
Rz. 359
Ein "wichtiger Grund" liegt nach § 731 Abs. 1 S. 2 BGB – wie nach § 725 Abs. 2 S. 2 BGB – insbesondere (d.h. beispielhaft) dann vor, wenn
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ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat oder wenn |
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die Erfüllung einer solchen Verpflichtung unmöglich wird. |
Rz. 360
Insoweit sind die Voraussetzungen der Auflösungskündigung zwar dieselben wie bei einer außerordentlichen Kündigung der Mitgliedschaft aus wichtigem Grund nach § 725 Abs. 2 S. 2 BGB, doch "verlangt hier [d.h. im Zusammenhang mit § 731 Abs. 1 S. 2 BGB] die Interessenabwägung eine besonders sorgfältige Prüfung, ob der Grund derart gewichtig ist, dass er als letztes Mittel gerade eine Auflösung der Gesellschaft rechtfertigt".
Rz. 361
Die Kündigungserklärung erfolgt – wie bei Kündigung der Mitgliedschaft – nicht gegenüber den anderen Gesellschaftern, sondern gegenüber der Gesellschaft.
Rz. 362
Die Beweislast für die die Auflösung rechtfertigenden Umstände trägt der Kläger, bei sekundärer Darlegungslast der Beklagten hinsichtlich eines zur Verfügung stehenden milderen Mittels.