Rz. 198
Die Neuregelung des § 715a BGB – die die bislang gesetzlich nicht geregelte, aber (gestützt auf eine Analogie zu § 744 Abs. 2 BGB alt) allgemeine Notgeschäftsführungsbefugnis eines jeden Gesellschafters normiert – hat folgenden Wortlaut:
Sind alle geschäftsführungsbefugten Gesellschafter verhindert, nach Maßgabe von § 715 Absatz 3 Satz 3 [Hinweis: Hierbei handelt es sich auch in der im BGBl veröffentlichten Fassung wohl um einen Verweisfehler, da im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aus § 715 Abs. 3 S. 3 BGB-E ein neu gefasster § 715 Abs. 3 S. 1 BGB geworden ist] bei einem Geschäft mitzuwirken, kann jeder Gesellschafter das Geschäft vornehmen, wenn mit dem Aufschub Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist. Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche dieses Recht ausschließt, ist unwirksam.
Rz. 199
Sind alle (d.h. sämtliche) geschäftsführungsbefugten Gesellschafter verhindert, nach Maßgabe von § 715 Abs. 3 S. 1 BGB (vgl. dazu den vorstehenden Hinweis im Gesetzestext) bei einem Geschäft mitzuwirken, kann gemäß § 715a S. 1 BGB jeder Gesellschafter das Geschäft vornehmen, wenn mit Aufschub Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist. Durch das Erfordernis einer Verhinderung aller (sämtlicher) geschäftsführungsbefugter Gesellschafter soll sichergestellt werden, dass die gesellschaftsrechtlichen Regelungen über die Geschäftsführung nicht unterlaufen werden, womit die Notbefugnis nach § 715 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 BGB vorrangig ist. "Das Notgeschäftsführungsrecht verschafft dem nicht (allein) geschäftsführungsbefugten Gesellschafter die Alleinhandlungsbefugnis".
Rz. 200
§ 715a S. 1 BGB richtet sich an jeden – d.h. auch an den gesamtbefugten oder den von der Geschäftsführungsbefugnis ausgeschlossenen – Gesellschafter, dessen Notgeschäftsführungsbefugnis weder
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der Widerspruch eines anderen Gesellschafters nach § 715 Abs. 4 BGB noch |
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(die Verweigerung von dessen Zustimmung gemäß § 715 Abs. 3 S. 3 BGB-E, der so nicht Gesetz geworden ist, vgl. vorstehenden Hinweis) |
entgegensteht.
Rz. 201
Zu beachten ist jedoch § 715 Abs. 3 S. 1 BGB, wonach die Geschäftsführungsbefugnis allen Gesellschaftern in der Art zusteht, dass sie nur gemeinsam zu handeln berechtigt sind (Gesamtgeschäftsführungsbefugnis), "es sei denn, dass mit dem Aufschub des Geschäfts Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist" (Hs. 1) – Einzelbefugnis der Gesamtgeschäftsführer im Notfall bei fehlender Erreichbarkeit der Geschäftsführer als Teilregelung der allgemeinen Notgeschäftsführungsbefugnis. Damit wird "klargestellt, dass von mehreren Gesellschaftern zuvorderst die mitgeschäftsführungsbefugten Gesellschafter (…) zur Notgeschäftsführung befugt sind".
Rz. 202
Mit einem Aufschub ist dann eine Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen i.S.d. § 715a S. 1 BGB verbunden, wenn der GbR ohne ein sofortiges und alleiniges Handeln ein Schaden droht (wozu auch ein entgangener Gewinn zählt, so die entsprechende Auffassung zu § 115 Abs. 2 a.E. HGB alt, respektive die Neuregelung des § 116 Abs. 4 HGB).
Rz. 203
§ 715 Abs. 3 S. 1 und § 715a S. 1 BGB räumen dem Gesellschafter nur eine Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis – jedoch keine Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis gegenüber Geschäftspartnern – ein.
Rz. 204
Im Innenverhältnis wird der Gesellschafter, der im Namen der Gesellschaft handelt gleichwohl nicht schutzlos gestellt (Inanspruchnahme als Vertreter ohne Vertretungsmacht gemäß § 179 BGB), da die GbR verpflichtet ist, "das Geschäft zu genehmigen, wenn sein Handeln im Innenverhältnis gerechtfertigt war, (…) [wobei die GbR] ihm bei verweigerter oder nicht innerhalb der Frist des § 177 Abs. 2 BGB erteilter Genehmigung Schadensersatz [schuldet]". Dem Gesellschafter werden bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 716 Abs. 1 BGB auch seine Aufwendungen ersetzt.
Sofern die Voraussetzungen des § 715 Abs. 3 S. 1 bzw. des § 715a S. 1 BGB fehlen (bspw. weil der Gesellschafter die Gefahrensituation subjektiv ex ante falsch eingeschätzt hat), kann gleichwohl ein Aufwendungsersatzanspruch nach Maßgabe einer GoA bestehen, da aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht "sich das Notgeschäftsführungsrecht u.U. zu einer Pflicht zum Tätigwerden verdichten kann".
Eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, welche das Recht auf Notgeschäftsführung gemäß § 715a S. 1 BGB ausschließt, ist nach § 715a S. 2 BGB unwirksam.