Rz. 27

§ 706 BGB findet über die Verweisvorschriften des

§ 105 Abs. 3 HGB,
§ 161 Abs. 2 HGB und
§ 1 Abs. 4 PartGG

"auch und gerade" auf die OHG, die KG und die Partnerschaftsgesellschaft "entsprechende Anwendung".

Damit ermöglicht der Gesetzgeber jetzt auch bei den Personenhandelsgesellschaften und der Partnerschaftsgesellschaft eine freie Sitzwahl. Zugleich greift er eine Empfehlung des 71. DJT nach freier Sitzwahl für Personen(handels)gesellschaften auf und setzt diese um.[40]

[40] Vgl. den Beschluss 26 des 71. DJT, in: Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Bd. II/2, 2017, S. O223.

a) Bisherige Rechtslage

 

Rz. 28

Nach bisheriger Rechtslage konnte der Sitz einer Personen(handels)gesellschaft nicht frei gewählt werden. Ungeachtet der Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag war der Sitz immer dort zu verorten, wo sich die faktische Geschäftsleitung der Personen(handels)gesellschaft befand.[41] Wenn der dergestalt bestimmte Verwaltungssitz nachträglich verlagert wurde, musste die Veränderung nach § 13h HGB und § 107 HGB alt zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden. Eine grenzüberschreitende Sitzverlegung führte zur Auflösung und Liquidation der Gesellschaft.[42]

Die noch h.M. in Deutschland folgte damit kollisionsrechtlich der Sitztheorie, deren Anwendung jedoch schon in der Vergangenheit in Bezug auf eine rechtssichere Strukturierung – z.B. grenzüberschreitender Beteiligungsmodelle – Schwierigkeiten bereitete.[43]

[41] Vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 14.11.2011 – 2 W 48/11, NZG 2012, 775, juris Rn 20 f.; MüKo-HGB/Langhein, § 106 Rn 26.
[42] Vgl. BGH, Urt. v. 27.5.1957 – II ZR 317/55, WM 1957, 999; Krafka, Registerrecht, Rn 607; MüKo-HGB/Langhein, § 106 Rn 30.
[43] Vgl. dazu Fedke, ZIP 2019, 799, 800.

b) Freie Sitzwahl

 

Rz. 29

Der Gesetzgeber hat für ein Sitzwahlrecht für die Personengesellschaften aus mehrerlei Gründen ein praktisches Bedürfnis gesehen:

Die Neuregelung ermöglicht es jetzt deutschen Personengesellschaften ihre gesamte Geschäftstätigkeit auch außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes zu entfalten (d.h. sie eröffnet die Möglichkeit einer Verlegung des Verwaltungssitzes ins Ausland), ohne dabei auf eine für sie vertraute deutsche Rechtsform verzichten zu müssen.
Eine eindeutige vertragliche Sitzwahl schafft Rechtssicherheit in Fällen, in denen eine dauerhaft zuverlässige Festlegung des Sitzes nicht möglich ist.
Das Sitzwahlrecht liegt im Übrigen im Interesse der Rechtsvereinheitlichung, da entsprechendes – nämlich eine privatautonome Sitzwahl – auch für die GmbH (vgl. § 4a GmbHG) und die AG (vgl. § 5 Abs. 2 AktG) gilt.[44]

Die vormalige Rechtslage konnte in der Vergangenheit für die KG mit einer GmbH als Komplementärin zu Verwerfungen führen.[45]

 

Rz. 30

Nach Ansicht des Gesetzgebers besteht kein sachlicher Grund, "Personengesellschaften, die in noch stärkerem Maße der Privatautonomie unterliegen, das Sitzwahlrecht abzusprechen", was im Hinblick auf eine einheitliche Ausgestaltung des Personengesellschaftsrechts auch bereits die bisherige Rechtslage in Bezug auf den "Sitz" einer Partnerschaftsgesellschaft bestätigt, bei der schon bislang der partnerschaftsvertraglich vereinbarte Sitz für die Registrierung der Partnerschaftsgesellschaft maßgeblich ist.[46] Die Möglichkeit einer "Sitzspaltung" bleibt aber in jedem Fall auf die eGbR (respektive aufgrund des Verweises in § 105 Abs. 3 HGB auf das Recht der Personenhandelsgesellschaften) beschränkt[47] – arg.: Bedeutung des Sitzes (als verlässliche Grundlage)[48] für die Zuständigkeit des

Registergerichts (§ 707 Abs. 1 BGB),
Prozessgerichts (§ 17 Abs. 1 S. 2 ZPO) und des
Insolvenzgerichts (§§ 3, 4 InsO).
[44] Infolge der Streichung von § 4a Abs. 2 GmbHG bzw. § 5 Abs. 2 AktG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl I 2008, S. 2026).
[45] Für den Fall, dass sich der Unternehmensgegenstand der GmbH (wie häufig) auf die Übernahme der Geschäftsführung und der persönlichen Haftung in der KG beschränkt und kein weiterer unbeschränkt persönlich haftender Gesellschafter vorhanden ist, war der Verwaltungssitz der KG mit dem der GmbH identisch, sodass die Komplementärin in ihrer durch das MoMiG geschaffenen Mobilität faktisch eingeschränkt wurde (dazu König/Bormann, DNotZ 2008, 652, 659; Oetker/Preuß, HGB, § 8 Rn 68.
[46] Dazu Ulmer/Schäfer/Schäfer, Gesellschaft bürgerlichen Rechts/PartG, § 3 PartGG Rn 18; Stiegler, ZGR 2017, 312, 324.
[47] Schäfer/Schäfer, § 8 Rn 13.
[48] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 127.

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