Rz. 208
Jeder Gesellschafter ist (während der Dauer seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft, d.h. ein aktueller, nicht ein ausgeschiedener Gesellschafter) nach § 715b Abs. 1 S. 1 BGB befugt, einen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Anspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter im eigenen Namen (auf Leistung an die Gesellschaft) gerichtlich geltend zu machen, wenn der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter dies pflichtwidrig unterlässt. Diese Befugnis erstreckt sich gemäß § 715b Abs. 1 S. 2 BGB auch auf einen Anspruch der Gesellschaft gegen einen Dritten, wenn dieser an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitwirkte oder es kannte.
aa) Anspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter
Rz. 209
§ 715b Abs. 1 BGB differenziert in Bezug auf die Voraussetzungen zwischen der Geltendmachung
▪ |
von Sozialansprüchen (in Abs. 1 S. 1), bspw. einem Anspruch der GbR gegen den Gesellschafter auf Erbringung des Beitrags oder einem Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den geschäftsführungsbefugten Gesellschafter wegen Verletzung seiner Geschäftsführungspflichten) und |
▪ |
Drittansprüchen (in Abs. 1 S. 2). |
Rz. 210
Eine Gesellschafterklage ist nur subsidiär – d.h. wenn sie aus besonderen Gründen nicht mit der primären Geschäftsführungs- und Vertretungsordnung kollidiert, weil die eigentlich dafür zuständigen Geschäftsführer pflichtwidrig untätig bleiben – zulässig. Im Falle, dass ein pflichtwidriges Unterlassen auf einem Gesellschafterbeschluss beruht, dürfen die besonderen Voraussetzungen einer Beschlussmängelklage (unabhängig davon, ob sie sich wie bei der GbR aus dem Gesellschaftsvertrag [opt-in-Lösung] oder wie bei OHG bzw. KG aus dem Gesetz, ergeben, vgl. zum neuen personenhandelsgesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelrecht die §§ 109 ff. HGB) nicht unterlaufen werden. Das heißt, es muss zuerst gegen diesen Beschluss vorgegangen werden, wobei aus Gründen der Prozessökonomie eine Verbindung von Beschlussmängel- und Gesellschafterklage möglich ist. Aus Gründen der Prozessökonomie kann aber auch eine Beschlussmängel- und eine Gesellschafterklage miteinander verbunden werden.
bb) Drittanspruch
Rz. 211
Die Befugnis nach § 715b Abs. 1 S. 1 BGB – wonach jeder Gesellschafter einen auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Anspruch der Gesellschaft gegen einen anderen Gesellschafter im eigenen Namen gerichtlich geltend machen kann, wenn der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter dies pflichtwidrig unterlässt – erstreckt sich gemäß § 715b Abs. 1 S. 2 BGB auch auf einen Anspruch der Gesellschaft gegen einen Dritten, wenn dieser an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitwirkte oder es kannte.
Rz. 212
Die Geltendmachung eines Drittanspruchs nach § 715b Abs. 1 S. 2 BGB hat somit zweierlei zur Voraussetzung:
▪ |
der geschäftsführungs- und vertretungsbefugte Gesellschafter ist pflichtwidrig untätig geblieben und |
▪ |
es liegt eine Situation vor, in der der Dritte sich zu diesem Aspekt aus eigener Anschauung sachgerecht äußern kann, weil er in Anlehnung an die bisherige Judikatur des BGH an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitgewirkt oder es (positiv) gekannt haben muss, wobei fahrlässige Unkenntnis nicht genügt. |
Rz. 213
In diesem Fall hat der Gesellschafter eine Prozessführungs- und zugleich eine Einziehungsbefugnis (Durchsetzungsbefugnis): Er kann den Anspruch im eigenen Namen gerichtlich geltend machen. Der Gesellschafter erlangt jedoch nicht das materielle Recht, d.h. den Anspruch der Gesellschaft, womit er bspw. nicht durch den Abschluss eines Prozessvergleichs über dieses Recht eigenständig verfügen kann.
Rz. 214
Die Gesellschafterklage ist gesetzliche Prozessstandschaft. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 715b Abs. 1 BGB sind damit vom Gericht von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzungen.
Zitat
"Die actio pro socio verschafft dem Gesellschafter eine Durchsetzungsbefugnis, aber kein Verfügungsrecht über den materiellen Anspruch".