Rz. 350
§ 730 BGB normiert – in Zusammenfassung des Normenbestandes von § 727 Abs. 2 S. 1 und 2 und § 728 Abs. 2 S. 2 BGB alt – Vorgaben, die im Falle einer Auflösung der GbR durch den Tod eines Gesellschafters oder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters einen "geordneten Übergang von der werbenden zur abzuwickelnden Gesellschaft gewährleisten sollen" (wohingegen § 730 BGB alt die Auseinandersetzung und Geschäftsführung geregelt hatte).
(1) Ist im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird, hat der Erbe des verstorbenen Gesellschafters den anderen Gesellschaftern dessen Tod unverzüglich anzuzeigen. Wenn mit dem Aufschub Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist, hat der Erbe außerdem die laufenden Geschäfte fortzuführen, bis die anderen Gesellschafter in Gemeinschaft mit ihm anderweitig Fürsorge treffen können. Abweichend von § 736b Absatz 1 gilt für die einstweilige Fortführung der laufenden Geschäfte die dem Erblasser durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis als fortbestehend. Die anderen Gesellschafter sind in gleicher Weise zur einstweiligen Fortführung der laufenden Geschäfte berechtigt und verpflichtet.
(2) Absatz 1 Satz 4 gilt entsprechend, wenn im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist, dass die Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst wird.
1. Besondere Pflichten des Erben in der Liquidationsgesellschaft
Rz. 351
Ist im Gesellschaftsvertrag vereinbart, dass die Gesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst wird (womit an die Stelle des verstorbenen Gesellschafters der einzelne Erbe oder bei einer Mehrheit von Erben die Erbengemeinschaft als Mitglieder der abzuwickelnden Gesellschaft treten), trifft den Erben des verstorbenen Gesellschafters kraft Mitgliedschaft nach § 730 Abs. 1 S. 1 BGB die Pflicht den anderen Gesellschaftern dessen Tod unverzüglich anzuzeigen und nach § 730 Abs. 1 S. 2 BGB ein Pflichtrecht zur Notgeschäftsführung.
Rz. 352
Abweichend von der in § 736b Abs. 1 BGB angeordneten Befugnis aller Gesellschafter zur gemeinsamen Geschäftsführung und Vertretung in der Liquidationsphase besteht für eine Übergangszeit – bis zur Umstellung der Gesellschaft auf die Liquidation – in einem durch den Zweck der Gefahrenabwehr begrenzten Umfang eine fortbestehende Geschäftsführungsbefugnis: Wenn mit dem Aufschub Gefahr für die Gesellschaft oder das Gesellschaftsvermögen verbunden ist, hat der Erbe nach § 730 Abs. 1 S. 2 BGB die laufenden Geschäfte fortzuführen, bis die anderen Gesellschafter in Gemeinschaft mit ihm anderweitig Fürsorge treffen können.
Rz. 353
Abweichend von § 736b Abs. 1 BGB gilt nach § 730 Abs. 1 S. 3 BGB für die einstweilige Fortführung der laufenden Geschäfte die dem Erblasser durch den Gesellschaftsvertrag übertragene Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis als fortbestehend. Die Notgeschäftsführung nach § 730 Abs. 1 S. 2 BGB bezieht sich also sowohl auf die Geschäftsführungs- als auch auf die Vertretungsbefugnis, was im Vergleich zur Notgeschäftsführungsbefugnis nach § 715a BGB "deswegen gerechtfertigt [ist], weil der Erbe kraft Gesetzes in die Stellung als Mitglied der Gesellschaft einrückt. Es wäre daher unbillig, für den Fall, dass er für die Notgeschäftsführungsmaßnahme Ausgleich bei der Gesellschaft sucht, ihm das Insolvenzrisiko der Gesellschaft zuzuweisen".
Die anderen Gesellschafter sind nach § 730 Abs. 1 S. 4 BGB in gleicher Weise zur einstweiligen Fortführung der laufenden Geschäfte berechtigt und verpflichtet.
2. Pflichtrecht zur Notgeschäftsführung bei Auflösung der Gesellschaft im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters
Rz. 354
Die anderen Gesellschafter sind nach § 730 Abs. 2 BGB – als gegenüber § 736b Abs. 2 BGB vorrangigem Pflichtrecht – zur einstweiligen Fortführung der laufenden Geschäfte berechtigt und verpflichtet (Pflichtrecht zur Notgeschäftsführung), wenn – entgegen § 723 Abs. 1 Nr. 2 BGB (Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters ist grundsätzlich Ausscheidensgrund) – im Gesellschaftsvertrag vereinbart ist, dass die Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst wird.
Rz. 355
Infolgedessen sind die anderen Gesellschafter – auch soweit ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis nicht übertragen ist – "für eine Übergangszeit bei Gefahr für das Gesellschaftsvermögen zur Fortführung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet". Dem Insolvenzverwalter steht die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis auch dann nicht zu, "wenn dem Gesellschafter-Schuldner nach dem Gesellschaftsvertrag die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis übertragen war" (Prinzip der Selbstorganschaft).