Rz. 284

Die Neuregelung des § 724 BGB hat – in Nachbildung des § 139 HGB alt (respektive der Neuregelung des § 131 HGB) und einer Empfehlung des 71. DJT aufgreifend[537] – folgenden Wortlaut (wohingegen § 724 BGB alt die Kündigung einer Gesellschaft auf Lebenszeit oder fortgesetzten Gesellschaft geregelt hatte):

 

(1) Geht der Anteil eines verstorbenen Gesellschafters auf seine Erben über und erfüllt die Gesellschaft die Voraussetzungen nach § 107 Absatz 1 des Handelsgesetzbuchs, um in das Handelsregister eingetragen zu werden, so kann jeder Erbe gegenüber den anderen Gesellschaftern antragen, dass ihm die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt und der auf ihn entfallende Anteil des Erblassers als seine Kommanditeinlage anerkannt wird.

(2) Nehmen die anderen Gesellschafter einen Antrag nach Absatz 1 nicht an oder ist eine Fortführung der Gesellschaft als Kommanditgesellschaft nicht möglich, ist der Erbe befugt, seine Mitgliedschaft in der Gesellschaft ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen.

(3) Die Rechte nach den Absätzen 1 bis 2 können von dem Erben nur innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem er von dem Anfall der Erbschaft Kenntnis erlangt hat, geltend gemacht werden. Auf den Lauf der Frist ist § 210 entsprechend anzuwenden. Ist bei Ablauf der drei Monate das Recht zur Ausschlagung der Erbschaft noch nicht verloren, endet die Frist nicht vor dem Ablauf der Ausschlagungsfrist.

(4) Scheidet innerhalb der Frist des Absatzes 3 der Erbe aus der Gesellschaft aus oder wird innerhalb der Frist die Gesellschaft aufgelöst oder dem Erben die Stellung eines Kommanditisten eingeräumt, so haftet er für die bis dahin entstandenen Gesellschaftsverbindlichkeiten nur nach Maßgabe der Vorschriften, welche die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten betreffen.

 

Rz. 285

Wenn der Anteil eines Gesellschafters auf seinen Erben (d.h. den Gesellschafter-Erben) nach Maßgabe von § 711 Abs. 2 BGB übergeht, kann dies für den Gesellschafter-Erben nachteilig sein, da Letzterer (als in die GbR eintretender Gesellschafter) nach § 721a BGB auch für die Altverbindlichkeiten (Vorrang der gesellschaftsvertraglichen vor der erbrechtlichen Haftung)[538] – ebenso wie (ab diesem Zeitpunkt) nach § 721 BGB auch für die neubegründeten Verbindlichkeiten – der GbR persönlich und unbeschränkt (als Gesamtschuldner) haftet. In der Folge würden die Vorteile der zivilrechtlichen Erbenhaftung nach §§ 1975 ff. BGB (mit der Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung) zugunsten des Gesellschafter-Erben entwertet.[539]

 

Rz. 286

Vor diesem Hintergrund eröffnet § 724 BGB (vgl. auch § 131 HGB) dem Gesellschafter-Erben ein Wahlrecht verbunden mit einem Haftungsprivileg:[540]

Der Gesellschafter-Erbe kann sein Verbleiben in der GbR davon abhängig machen, dass ihm im Hinblick auf Altverbindlichkeiten ein Kommanditistenstatus eingeräumt wird (Abs. 1 – Haftungsprivileg für Altverbindlichkeiten).

Er hat ein Recht zur Kündigung seiner Mitgliedschaft in der GbR ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist (Abs. 2), wenn

die anderen Gesellschafter sein Verlangen auf Einräumung eines Kommanditistenstatus ablehnen bzw. wenn
eine Umwandlung der GbR in eine KG nach Maßgabe von § 161 Abs. 2 i.V.m. § 107 Abs. 1 HGB rechtlich nicht möglich.

Alternativ dazu kann der Erbe auch

Gesellschafter der GbR bleiben (mit korrespondierender persönlicher und gesamtschuldnerischer Haftung für die Alt- [§ 721a BGB] und Neuverbindlichkeiten der Gesellschaft [§ 721 BGB]) bzw.
die Erbschaft insgesamt ausschlagen (§§ 1942 ff. BGB).
 

Rz. 287

Aufgrund dieses Wahlrechts – fristgemäße Umwandlung der Mitgliedschaft in einen Kommanditistenstatus bzw. fristgemäßer Austritt aus der GbR – kann der Erbe seine gesellschaftsrechtliche Haftung beschränken und im privilegierten Erbenstatus der §§ 1975 ff. BGB verbleiben.

 

Rz. 288

§ 724 BGB ist (anders als § 131 Abs. 5 S. 1 HGB: "Der Gesellschaftsvertrag kann die Anwendung der Vorschriften … nicht ausschließen") dispositiver Natur mit der Folge, dass u.U. auch eine stillschweigende Abbedingung möglich ist, "wenn das Wahlrecht des Erben einmal keinen angemessenen Ausgleich der gegenläufigen Interessen gewährleistet".[541] Nach Bergmann[542] ist eine generelle teleologische Reduktion von § 724 BGB in "Konstellationen, in denen keine greifbare Haftungsrisiken für den Erben-Gesellschafter bestehen, wohl versperrt".

 

Beachte:

§ 724 BGB gelangt nur zur Anwendung auf eine GbR (arg.: Wortlaut des § 724 Abs. 1 BGB – "erfüllt die Gesellschaft die Voraussetzungen nach § 107 Abs. 1 HGB, um ins Handelsregister eingetragen zu werden"), die

ein Kleingewerbe betreibt (§ 107 Abs. 1 S. 1 1. Alt. HGB) bzw.
nur eigenes Vermögen verwaltet (§ 107 Abs. 1 S. 1 2. Alt. HGB) bzw. eine
Freiberuflergesellschaft (§ 107 Abs. 1 S. 2 HGB – bei der die Umwandlung in eine KG nach § 161 Abs. 2 i.V.m. § 107 Abs. 1 S. 2 HGB aber unter dem Vorbehalt einer berufsrechtlichen Zulässigkeit steht).
[537] Verhandlungen des 71. DJT, Bd. II/2, 2017, S. O222.
[538] Schäfer/Bergmann...

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