1. Die rechtsfähige GbR als Leitbild
Rz. 10
Die Neuregelung in Abs. 2 führt regelungstechnisch zum ersten Mal eine Legaldefinition der rechtsfähigen und der nicht rechtsfähigen Gesellschaft in das BGB ein, worin sich der Regelungsgehalt der Norm jedoch nicht erschöpft.
Vielmehr statuiert Abs. 1 im ersten Halbsatz i.S.e. gesetzlichen Leitbildes (gesetzlicher Regelfall) die GbR in Gestalt einer rechtsfähigen Gesellschaft als eine auf gewisse Dauer angelegte, mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattete Personengesellschaft als Neukonzeption grundlegend neu. Trägerin der dem Gesellschaftsvermögen zugehörigen Rechte und Pflichten ist die Gesellschaft selbst und nicht mehr die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit.
Rz. 11
Der Gesetzgeber greift damit eine Empfehlung des 71. Deutschen Juristentages auf, die seit der Grundsatzentscheidung des BGH in der Rechtssache "ARGE Weißes Ross" ergangene Rechtsprechung über die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR auch gesetzlich nachzuvollziehen.
2. Differenzierung zwischen rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger GbR
Rz. 12
Die Differenzierung zwischen den beiden Rechtsformvarianten – rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger GbR – trägt dem Umstand Rechnung, dass die Praxis beide Spezialausprägungen der GbR kennt: Solche Zusammenschlüsse,
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die sich nur auf das Innenverhältnis beschränken, und andere, |
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die nach außen hin in Erscheinung treten. |
Rechtsfähigkeit kommt nur der rechtsfähigen GbR i.S.v. § 705 Abs. 2 Hs. 1 BGB zu, deren Wesensmerkmal darin besteht, dass "sie nach dem gemeinsamen Willen der [d.h. aller] Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnehmen soll" (in Übernahme der in § 14 Abs. 2 BGB geregelten Definition der rechtsfähigen Personengesellschaft).
Rz. 13
Der Wille zur Teilnahme am Rechtsverkehr (als innere Tatsache) ist das Abgrenzungskriterium (alleiniger Maßstab – Einheitslösung) zwischen Außen- (rechtsfähiger GbR) und Innengesellschaft (nicht rechtsfähiger GbR).
Rz. 14
Bei der nicht rechtsfähigen GbR fehlt gerade dieser gemeinsame Wille der Gesellschafter, weswegen sie nach § 705 Abs. 2 Hs. 2 BGB nur "zur Ausgestaltung ihres Rechtsverhältnisses untereinander" (d.h. zwischen den Gesellschaftern) dient.
Rz. 15
Der Gesetzgeber hat in § 705 Abs. 3 BGB eine gesetzliche Vermutungsregel für den gemeinsamen Willen i.S.v. § 705 Abs. 2 BGB aufgestellt, wonach (als wichtiger Anwendungsfall), wenn Gegenstand der Gesellschaft der Betrieb eines Unternehmens unter gemeinschaftlichem Namen ist (kumulatives Erfordernis), vermutet wird, dass die Gesellschaft nach dem gemeinsamen Willen der Gesellschafter am Rechtsverkehr teilnimmt. Ansonsten bleibt der Rechtsprechung die Beantwortung der Frage überlassen, ob im konkreten Einzelfall eine Teilnahme am Rechtsverkehr von allen Gesellschaftern gemeinsam gewollt ist oder nicht (weitere Tatsachen als Indizien für einen gemeinsamen Willen). Dafür kommt es vorrangig zur Klarstellung auf die diesbezüglich ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag an, wenngleich § 705 Abs. 2 BGB (auch ohne die Notwendigkeit eines Formerfordernisses) keine ausdrückliche (bzw. sogar verbalisierte) Willensbekundung über den gemeinsamen Willen verlangt – die gemeinsame Willensbekundung kann auch stillschweigend (konkludent) erfolgen. Insbesondere gewinnen hier die gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen zur Identitätsausstattung (Name und Sitz, Handlungsorganisation, Haftungsverfassung) an Bedeutung. Fehlen hierzu im Gesellschaftsvertrag ausdrückliche Regelungen, kann auch auf den vereinbarten Gesellschaftszweck Bezug genommen werden, wobei nach Ansicht des Gesetzgebers jedoch angesichts des nicht ganz klar konturierten Begriffs "Gesellschaftszweck" Vorsicht geboten sein soll.
Wenn der konkrete Gesellschaftszweck eine Teilnahme am Rechtsverkehr erfordert, mag dies für die Annahme sprechen, dass auch die Gesellschafter die Teilnahme am Rechtsverkehr stillschweigend vereinbart haben.
Rz. 16
Schließlich kann auch – aber lediglich ergänzend – auch die tatsächliche Art der Teilnahme am Rechtsverkehr Berücksichtigung finden. Für diesen Fall kann indiziell die Ausübung einer gemeinsamen gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit durch die Gesellschafter indizielle Bedeutung haben. Wenn die Gesellschafter erst einmal mit der gemeinsamen Ausübung einer solchen Tätigkeit begonnen haben, bleiben sie in einer rechtsfähigen GbR so lange verbunden, "bis sie ihre gewerbliche oder selbstständige berufliche Tätigkeit durch gemeinsamen Willensakt erkennbar wieder aufgegeben haben."
Beachte:
Die (auch konkludent mögliche) Zustimmung aller Gesellschafter zu einer Geschäftsaufnahme i.S.v. § 719 Abs. 1 Hs. 1 BGB spiegelt einen gemeinsamen Willen wider.
Beachte zudem:
Durch eine Änderung des gemeinsamen Willens der Gesellschafter (Willensänderung al...