Rz. 178

Zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung ist nach § 796a ZPO ein außergerichtlicher, für vollstreckbar zu erklärender Anwaltsvergleich möglich.

Ein Vergleich im Sinne des § 796a ZPO muss den Anforderungen des § 779 BGB genügen, also den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens durch Vertrag beseitigen. Insofern wird von einem solchen Vergleich mehr verlangt als von einer Einigung im Sinne von Nr. 1000 VV RVG, da ein Vergleich im Sinne des BGB nur bei gegenseitigem Nachgeben vorliegt; bei einer Einigung im Sinne des RVG muss nur der Streit beseitigt werden, wozu auch ein einseitiges Nachgeben genügt.

Im Unterschied zu dem gerichtlich protokollierten Vergleich (§ 163 Abs. 1 S. 1 ZPO) muss der vollstreckbare Anwaltsvergleich nach § 796a ZPO von den RA beider Parteien in deren Namen und in Vollmacht unterschrieben sein.

Aus dem Anwaltsvergleich kann nur vollstreckt werden, wenn sich der Schuldner darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat und wenn der Vergleich entweder beim zuständigen Amtsgericht (§ 796b ZPO) oder bei einem Notar (§ 796c ZPO) in Verwahrung genommen wird.

 

Rz. 179

Aus dem Anwaltsvergleich kann dann gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 4 Lit. b ZPO unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass der Vergleich für vollstreckbar erklärt wird, die Zwangsvollstreckung stattfinden:

Gemäß § 796b ZPO kann der Anwaltsvergleich durch das Gericht, das für eine entsprechende Klage zuständig gewesen wäre, als Prozessgericht auf Antrag einer Partei für vollstreckbar erklärt werden.
Nach § 796c ZPO kann mit Zustimmung der Parteien der Anwaltsvergleich auch von einem Notar in Verwahrung genommen und für vollstreckbar erklärt werden.

In beiden Fällen ist also eine Vollstreckungsklausel gemäß den §§ 795 und 750 Abs. 1 ZPO notwendig. Vor Beginn der Zwangsvollstreckung muss dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs zugestellt werden. Vor der Zwangsvollstreckung aus für vollstreckbar erklärten Anwaltsvergleichen ist gemäß § 798 ZPO eine Wartefrist von zwei Wochen nach der Zustellung einzuhalten.

 

Hinweis:

Die Vollstreckbarerklärung durch den Notar oder durch das Gericht wird jeweils mit einer Festgebühr von 66,00 EUR berechnet (Nr. 23800 KV GNotKG, Nr. 2118 KV GKG).

 

Rz. 180

Für die außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen erhält der RA eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 Anm. Abs. 1 VV RVG (siehe § 4 Rdn 3 ff.). Zusätzlich erhält er im Regelfall eine 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Ziff. 1 VV RVG. Falls jedoch ein Rechtsstreit über den Vergleichsgegenstand anhängig ist, erhält der RA nach der Einschränkung in Nr. 1003 VV RVG nur eine verminderte, also 1,0 Einigungsgebühr.

 

Beispiel:

Zwischen den RAen der zerstrittenen Parteien Badewitz und Hasenfratz wird außergerichtlich ein von beiden RAen namens und in Vollmacht ihrer Parteien unterschriebener Anwaltsvergleich ausgehandelt, in dem sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Die beteiligten RAe haben während der Vergleichsverhandlungen im Einverständnis mit ihren Auftraggebern Besprechungen miteinander durchgeführt. Der Vergleich beseitigt einen Streit wegen 8.000,00 EUR. Der Schuldner Badewitz hat sich vergleichsweise verpflichtet 5.500,00 EUR an Hasenfratz zu zahlen. Jeder der beiden beteiligten RAe kann folgende Vergütungsrechnung aufstellen:

Gegenstandswert: 8.000,00 EUR

 
1,3 Geschäftsgebühr gem. §§ 2, 13, 14 RVG, Nr. 2300 Anm. Abs. 1 VV RVG 652,60 EUR
1,5 Einigungsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 1000 Ziff. 1 VV RVG 753,00 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
    1.425,60 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 7008 VV RVG 270,86 EUR
    1.696,46 EUR

Der Gegenstandswert der Einigungsgebühr ergibt sich aus dem durch die Einigung erledigten streitigen Betrag – nicht aus dem Ergebnis der Einigung.

 

Merke:

Der RA erhält für seine Tätigkeit im Hinblick auf den Abschluss eines Anwaltsvergleichs zusätzlich zu den sonstigen Gebühren eine 1,5 Einigungsgebühr, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

Es muss sich um ein gegenseitiges Nachgeben im Sinne des § 779 BGB handeln.

Der Vergleich muss von beiden RAen namens und in Vollmacht der Parteien unterschrieben sein.

Der Schuldner muss sich in dem Vergleich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen haben.

Über den Vergleichsgegenstand darf kein Rechtsstreit anhängig sein.

 

Rz. 181

Für das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs nach den §§ 796a bis 796c ZPO erhält der RA nach Vorbemerkung 3.1 Abs. 1 VV RVG die in Nrn. 3100 ff. VV RVG bestimmten Gebühren zusätzlich zu den für den Vergleichsabschluss entstandenen Gebühren. In Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG wird angeordnet, dass die bei Abschluss des Anwaltsvergleichs entstandene Geschäftsgebühr zur Hälfte (jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75) auf die Verfahrensgebühr für ein Verfahren auf Vollstreckbarerklärung dieses Vergleichs anzurechnen ist. Eine ähnliche Regelung für den Bereich de...

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