Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 211
Rück- und Weiterverweisungen sind jedoch gem. Art. 34 Abs. 1 ErbVO beachtlich, soweit es um Drittstaaten (auch Dänemark, Großbritannien und Irland) geht.
Lag der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in einem Drittstaat, so wendet der Drittstaat seinerseits die ErbVO nicht an, sondern vielmehr sein eigenes nationales Recht, insbesondere sein eigenes nationales Kollisionsrecht. Würde auch hier die ErbVO nur auf das Sachrecht und nicht das Kollisionsrecht des berufenen Drittstaates verweisen, käme es zu unbefriedigenden Ergebnissen, weil nach der ErbVO das Sachrecht des Drittstaates anwendbar wäre, nach dessen Kollisionsrecht die Erbfolge aber womöglich einem anderen Recht (eines Mitgliedstaats oder eines Viertstaates) unterliegt. Nach der ErbVO wäre dann ein Recht anwendbar, welches selbst nicht angewendet werden will. Die Anknüpfung wäre damit willkürlich und das Ergebnis – das für die Erbfolge anwendbare Recht – wäre gerade nicht dasjenige Recht, welches der Drittstaat seinerseits zugrunde legt.
Rz. 212
Beispiel:
Ein deutscher Erblasser verstirbt mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Florida (USA), hinterlässt aber ein Grundstück in Deutschland. In diesem Fall verweist das Kollisionsrecht von Florida für den unbeweglichen Nachlass auf das deutsche Recht zurück. Beriefe die ErbVO nur das Sachrecht von Florida, würde der Erblasser auch im Hinblick auf das Grundstück in Deutschland nach dem Erbrecht von Florida beerbt werden, obwohl die Gerichte in Florida insoweit deutsches Recht anwenden.
Rz. 213
Rück- und Weiterverweisungen durch das Kollisionsrecht eines Drittstaates sind gem. Art. 34 Abs. 1 ErbVO dann beachtlich, wenn
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entweder auf das Recht eines Mitgliedstaates zurückverwiesen wird (Art. 34 Abs. 1 Buchstabe a) |
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oder auf das Recht eines anderen Drittstaates verwiesen wird, der sein eigenes Recht anwenden würde (die Verweisung also annimmt; Art. 34 Abs. 1 Buchstabe b) |
Ist das Recht eines Drittstaates deshalb anwendbar, weil der Erblasser dieses gewählt hatte, ordnet Art. 34 Abs. 2 ErbVO die Nichtbeachtung des Kollisionsrechts an. Rück- und Weiterverweisungen durch das Kollisionsrecht eines Drittstaates sind also nur beachtlich, wenn der Erblasser den gewöhnlichen Aufenthalt im Drittstaat hatte, und dieses Recht deshalb anzuwenden ist.
In einem solchen Fall fehlt es an der grundsätzlichen Internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaats gem. Art. 4 ErbVO. Die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaates kann deshalb nur auf Art. 10 ErbVO (subsidiäre Zuständigkeit) oder auf Art. 11 ErbVO fußen. Nur in diesen Fällen haben die Gerichte eines Mitgliedstaats deshalb die Rück- bzw. Weiterverweisungen des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt zu berücksichtigen.
Die praktische Bedeutung der Regelung des Art. 34 Abs. 1 ErbVO ist also äußerst gering.