Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 343
Die ErbVO sieht nur in geringem Umfang Verfahrensregeln vor, die bei der Ausstellung des Zeugnisses beachtet werden müssen; das Verfahren richtet sich ansonsten weitgehend nach dem nationalen Verfahrensrecht des zuständigen Gerichts. Das Verfahren zur Ausstellung des ENZ innerhalb der Mitgliedstaaten ist also unterschiedlich, es gibt nur wenige einheitliche Vorgaben.
In Deutschland richtet sich das Verfahren nach den §§ 35 ff. IntErbRVG; die Regelungen sind eng an das Erbscheinsverfahren gem. dem FamFG angelehnt bzw. verweisen auf dieses, soweit das IntErbRVG keine besondere Regelung vorsieht (§ 35 Abs. 1 IntErbRVG). Abweichende Regelungen im Vergleich zum Erbscheinsverfahren sind insbesondere im Hinblick auf die Ausstellung des ENZ vorgesehen, weil sich die Erteilung des ENZ nach der Konzeption der ErbVO von der Erteilung eines Erbscheins nach deutschem Recht unterscheidet (vgl. hierzu Rn 365).
a) Grenzüberschreitender Erbfall
Rz. 344
Während der Kommissionsvorschlag für die Ausstellung eines ENZ keinen grenzüberschreitenden Bezug verlangte, ist ein solcher nun nach der ErbVO Voraussetzung für die Ausstellung des ENZ: Nach Artt. 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 ErbVO ist das ENZ zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat gedacht. Es muss daher ein grenzüberschreitender Erbfall vorliegen, in einem reinen Inlandsfall kann nur ein nationaler Erbnachweis ausgestellt werden, nicht das ENZ. Art. 65 Abs. 3 Buchstabe f ErbVO verlangt dem Antragsteller die ausdrückliche Angabe des beabsichtigten Zwecks des Zeugnisses unter Hinweis auf Art. 63 ErbVO ab.
b) Antragsberechtigte
Rz. 345
Die Antragsberechtigung regelt Art. 65 Abs. 1 ErbVO, der auf Art. 63 Abs. 1 verweist. Der Antrag kann gestellt werden von
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Erben |
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dinglichen Vermächtnisnehmern |
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Testamentsvollstreckern |
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Nachlassverwaltern |
Ein Antragsrecht für Nachlassgläubiger ist dagegen nicht vorgesehen.
§ 36 IntErbRVG verweist für die Antragsberechtigung pauschal auf Art. 65 ErbVO.
§ 37 Abs. 1 IntErbRVG regelt, wer Beteiligter bei einem ENZ-Verfahren in Deutschland ist, nämlich der Antragsteller. Weitere Beteiligte können hinzugezogen werden, auf ihren Antrag sind sie hinzuzuziehen (vergleiche § 37 Abs. 1 Nummer 1–6 IntErbRVG).
c) Erforderliche Angaben
Rz. 346
Eine eigenständige Regelung zu den erforderlichen Angaben sieht das IntErbRVG nicht vor, es bleibt auch insofern bei der pauschalen Verweisung auf Art. 65 ErbVO.
Die erforderlichen Angaben des Antragstellers schreibt Art. 65 Art. 3 ErbVO dezidiert und akribisch vor. Bei den Angaben handelt es sich nicht nur um die aus deutscher Sicht im Lichte der §§ 2354, 2355 BGB üblichen Informationen (wie z.B. persönliche Daten des Erblassers/Antragstellers, Todeszeitpunkt und Ort des Versterbens, sachliche/rechtliche Umstände, aus denen sich die erbrechtliche Stellung der Beteiligten ergeben), sondern der Umfang der Angaben geht über die nach deutschem Recht erforderlichen Angaben im Erbscheinsverfahren weit hinaus. Die ErbVO versucht sozusagen "auf Vorrat", Regelungen über den Inhalt des Antrages zu treffen, die auf jede denkbare Fallkonstellation und jedes mögliche anwendbare Erbrecht passen.
Aus Art. 65 Abs. 3 Hs. 1 ErbVO ergibt sich aber insofern eine Einschränkung: Der Antrag muss die aufgeführten Angaben nur enthalten, soweit sie von der Ausstellungsbehörde zur Beschreibung des Sachverhalts, dessen Bestätigung begehrt wird, benötigt werden (und auch nur, soweit sie dem Antragsteller bekannt sind).
Rz. 347
Art. 65 Abs. 3 Buchstabe f ErbVO verlangt insbesondere, dass der beabsichtigten Zweck des Zeugnisses – nämlich die beabsichtigte Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. Art. 63) – angegeben wird.
Darüber hinaus ist nach Art. 65 Abs. 3 Buchstabe j eine Angabe darüber erforderlich, ob der Erblasser einen Ehevertrag geschlossen hatte.
Beim Inhalt des ENZ sind ebenfalls Angaben zum Ehevertrag bzw. zum ehelichen Güterstand zu machen (Art. 68 Buchstabe h ErbVO), obwohl der Güterstand aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen ist (Art. 1 Abs. 2 Buchstaben d ErbVO). Auch die Vorschrift des Art. 68 Buchstabe l bereitet insofern Schwierigkeiten, als der Erbteil des Ehegatten gegebenenfalls vom Güterstand abhängt (im deutschen Recht: § 1371 Abs. 1 BGB, vgl. dazu Rn 74, 84 ff.).
Rz. 348
Für den Antrag kann sich der Antragsteller gem. Art. 65 Abs. 2 ErbVO eines Formblatts bedienen. Die den ENZ ausstellende Behörde (in Deutschland das Nachlassgericht) muss sich gem. Art. 67 Abs. 1 ErbVO des Formblatts bedienen, damit das ENZ sich optisch und inhaltlich in allen Mitgliedstaaten gleicht. Art. 67 Abs. 1 S. 2 ErbVO stellt ausdrücklich klar, dass die Ausstellungsbehörde das Formblatt "verwendet" (im Unterschied zu Art. 65 Abs. 2 ErbVO, der Antragsteller "kann" das Formblatt verwenden, denn beim Antrag kommt es nicht darauf an, dass er stets in gleicher Weise in allen Mitgliedstaaten gestellt würde).