Rz. 177

Art. 24 Abs. 1 ErbVO unterstellt die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit von Testamenten dem Recht, das auf den Erbfall anwendbar wäre, wenn er sich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ereignet hätte (Errichtungsstatut/hypothetisches Erbstatut). Welches Recht das ist, hängt wiederum zunächst davon ab, ob der Erblasser eine Rechtswahl getroffen hatte (dann ist gem. Art. 22 ErbVO dieses Recht maßgeblich) oder nicht (dann ist das Recht des – jetzigen – gewöhnlichen Aufenthalts berufen).

 

Rz. 178

Nach Art. 24 Abs. 2 ErbVO besteht darüber hinaus die Möglichkeit der "isolierten" Rechtswahl für die Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit.[153] Der Erblasser kann also – auch ohne im Übrigen eine Rechtswahl nach Art. 22 ErbVO für das insgesamt anzuwendende Recht vorzunehmen – bestimmen, dass sein Heimatrecht (nur) für die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit der Verfügung von Todes wegen maßgeblich ist. Das hat zur Konsequenz, dass z.B. das Pflichtteilsrecht dann nicht dem Heimatrecht des Erblassers unterworfen wird, sondern dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt. Änderung und Widerruf des Testaments unterliegen bei einer Rechtswahl nach Art. 24 Abs. 2 ErbVO dem gewählten Recht (Art. 24 Abs. 3 S. 2 ErbVO).

 

Rz. 179

Ein solches Vorgehen der isolierten Rechtswahl nur für die Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit des Testaments (und nicht gem. Art. 22 ErbVO auf die Rechtsnachfolge insgesamt) empfiehlt sich möglicherweise in Fällen, in denen das Heimatrecht des Erblassers weniger strenge Anforderungen stellt als dasjenige am gewöhnlichen Aufenthalt. Aus deutscher Sicht ist z.B. an die strengen Drittbestimmungsverbote bei der Erbeinsetzung zu denken (vgl. §§ 2064, 2065 BGB), diese könnten so umgangen werden, auch wenn der Erblasser im Übrigen nach deutschem Recht beerbt werden wird, weil er hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (und die Anwendbarkeit deutschen Rechts für die Erbfolge auch wünscht).

 

Rz. 180

Auf den Widerruf oder die Änderung einer Verfügung von Todes wegen findet gem. Art. 24 Abs. 3 S. 1 ErbVO ebenfalls das hypothetische Erbstatut Anwendung, und zwar (wenn keine Wahl nach Art. 24 Abs. 2 ErbVO erfolgte, vgl. Rn 178) das hypothetische Erbstatut zum Zeitpunkt der Vornahme des Widerrufs. Errichtung und Widerruf/Änderung des Testaments können deshalb unterschiedlichen Rechten unterliegen. Wechselt der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zwischen der Errichtung des Testaments und der Änderung/dem Widerruf, sind zwei verschiedene Rechte maßgeblich. Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser nach Errichtung des Testaments von der Rechtswahlmöglichkeit Gebrauch macht und für den Widerruf nun sein Heimatrecht wählt.

 

Rz. 181

Beim Erbvertrag wird diese Möglichkeit der unterschiedlichen Anknüpfung dagegen nicht eröffnet, weil auch für die Auflösung eines Erbvertrages das "alte" Errichtungsstatut, nicht ein – ggf. neues – "Auflösungsstatut" gilt (dazu sogleich siehe Rn 188).

[153] Dutta, FamRZ 2013, 4, 10; Heinig, RNotZ 2014, 197, 207.

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