Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 1
Die Erbrechtsverordnung ist bereits in Kraft, sie ist aber erst bei Erbfällen ab dem 17.8.2015 anwendbar.
Rz. 2
Die Artt. 79, 80 und 81 der ErbVO gelten bereits seit dem 5.7.2012. Diese Vorschriften haben aber keine Auswirkung auf die Praxis der Rechtsberatung, sie betreffen nur Pflichten der Kommission und der Mitgliedstaaten (Informationspflichten, Erstellen von Formblättern). Entsprechendes gilt für die Art. 77 und 78, die ab dem 16.1.2014 gelten.
Rz. 3
Die Erbrechtsverordnung ist im Übrigen gem. ihrem Art. 84 S. 1 am 16.8.2012 in Kraft getreten (die Veröffentlichung im Amtsblatt der EU erfolgte am 27.7.2012); seit diesem Tag dürfen die Mitgliedstaaten keine mit der Verordnung unvereinbaren Gesetze mehr erlassen.
Gemäß Art. 83 Abs. 1 findet die ErbVO auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung, die am 17.8.2015 oder danach verstorben sind.
Rz. 4
Für die beratende Praxis von Bedeutung sind darüber hinaus die Regelungen des Art. 83 Abs. 2–4: Eine Rechtswahl oder eine Verfügung von Todes wegen, die vor dem 17.8.2015 erfolgte, bleibt nämlich auch nach Anwendbarkeit der ErbVO zulässig und wirksam, wenn sie die Voraussetzungen der Verordnung (siehe Kapitel III der ErbVO) erfüllt. Bei der planenden Nachfolgegestaltung musste deshalb auch schon vor dem 17.8.2015 die ErbVO berücksichtigt werden (vgl. dazu unten § 4 Rn 9).
Rz. 5
Für die Fälle, in denen die Rechtswahl bzw. die Verfügung von Todes wegen nicht die Voraussetzungen der ErbVO erfüllt, besteht gleichwohl die Möglichkeit der Wirksamkeit auch nach Anwendbarkeit der ErbVO: Es reicht nämlich aus, dass die Voraussetzungen der bisher anwendbaren Vorschriften des Internationalen Privatrechts (Kollisionsnormen) erfüllt wurden. Dabei wird alternativ auf das Kollisionsrecht des Staates abgestellt, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder auf das Kollisionsrecht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß. So bleibt z.B. eine Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB dann wirksam, wenn sie von einem Ausländer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland vorgenommen wurde (vgl. dazu § 4 Rn 9, 12).
Rz. 6
Nach Art. 83 Abs. 4 gilt für Altverfügungen ferner die Fiktion einer Rechtswahl: Sofern der Erblasser die Verfügung von Todes wegen nach dem Recht errichtet hatte (oder jetzt – noch vor der Anwendbarkeit der ErbVO – errichtet), welches er gemäß der Verordnung hätte wählen können, gilt dieses Recht als gewählt (vgl. dazu auch Art. 22 Abs. 2 ErbVO, siehe Rn 161, § 4 Rn 21, 26).
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Neue Fälle – bei einer nach dem Stichtag (17.8.2015), aber auch noch vor Anwendbarkeit der ErbVO vorzunehmenden Nachlassplanung ist die neue Rechtslage zugrunde zu legen |
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Alte Fälle – bereits verfasste "alte" Verfügungen von Todes wegen verlieren ihre Gültigkeit nicht in jedem Fall |