Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 250
Zu dem erstrebten Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbaren Rechts kann es aber trotz Auseinanderfallens des Rechts am gewöhnlichen Aufenthalt und dem gewählten Heimatrecht über Art. 5 ErbVO kommen. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass das gewählte Recht (Art. 22 ErbVO) das eines Mitgliedstaats ist. In diesem Falle können die "betroffenen Parteien" durch eine Gerichtsstandsvereinbarung die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte im Heimatland des Erblassers (= anderer Mitgliedstaat) begründen (Art. 5 Abs. 1 ErbVO).
Rz. 251
Gem. Art. 5 Abs. 2 S. 1 ErbVO bedarf eine solche Gerichtsstandsvereinbarung der Schriftform (wobei eine elektronische Übermittlung ggf. gleichgestellt ist, Art. 5 Abs. 2 S. 2 ErbVO). Sie ist mit einem Datum zu versehen und von den betroffenen Parteien zu unterzeichnen.
Rz. 252
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass der Erblasser selbst das zuständige Gericht nicht bestimmen kann; der Erblasser kann nur das anwendbare Recht bestimmen, der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung dagegen ist allein den betroffenen Parteien zugewiesen. Die Gerichtsstandsvereinbarung kann inhaltlich auch nur dahingehen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, dessen Recht der Erblasser gewählt hat; die Vereinbarung der Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Staates ist nicht zulässig. Zu beachten ist auch, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung die Rechtswahl durch den Erblasser voraussetzt, ansonsten ist sie nicht möglich (bzw. entfaltet keine Wirkungen). Die Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 5 ErbVO erfordert aber kein "Zusammenwirken" zwischen dem Erblasser und den Erben. Es ist nicht erforderlich, dass der Erblasser den Erben etwa eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung durch Verfügung von Todes wegen auferlegt. Gleichwohl kann er einen solchen Wunsch äußern – die Erben sind aber nach der ErbVO daran nicht gebunden (zur Konstruktion einer Pflicht der Erben zum Abschluss einer solchen Vereinbarung über die Gestaltungsmittel der Verfügung von Todes wegen (vgl. § 4 Rn 22) (Nachlassplanung).
aa) Gerichtsstandsvereinbarung
Rz. 253
Haben die betroffenen Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen, so führt das zur Zuständigkeit des gewählten Gerichts im Heimatstaat des Erblassers; dieses ist dann nach Art. 7 Buchstabe b ErbVO zuständig (und zwar zur Entscheidung über den gesamten Nachlass). Die Parteien können also eine entsprechende Gerichtsstandsvereinbarung schon treffen, bevor es überhaupt zur Anrufung eines Gerichts kommt.
War zuvor die Sache bereits bei dem Gericht der allgemeinen Zuständigkeit nach Art. 4 ErbVO anhängig (also dem Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers), so hat sich dieses für unzuständig zu erklären (Art. 6 Buchstabe b ErbVO). Gleiches gilt, wenn das zuvor angerufenen Gericht gem. Art. 10 ErbVO zuständig war.
Rz. 254
Das gewählte Gericht ist gem. Art. 7 Buchstabe a ErbVO (auch) aufgrund der Unzuständigkeitserklärung (des zuvor über Art. 4 ErbVO oder Art. 10 ErbVO allgemein zuständigen Gerichts) zuständig. Diese Regelung ist bei einer Gerichtsstandsvereinbarung überflüssig, denn für das zuvor zuständige Gericht besteht gem. Art. 6 Buchstabe b nicht etwa ein Ermessen, ob sich für unzuständig zu erklären hat. Vielmehr ergibt der klare Wortlaut – "es erklärt sich für unzuständig", dass es sich um eine zwingende Vorschrift handelt.
Man muss die doppelte Begründung der Zuständigkeit des gewählten Gerichts (über Art. 7 Buchstabe b und a) also dahingehend verstehen, dass das gewählte Gericht selbst dann zuständig ist, wenn das zuvor angerufenen Gericht sich trotz der Gerichtsstandsvereinbarung fälschlicherweise nicht für unzuständig erklärt. Umgekehrt verliert das allgemein zuständige Gericht seine Zuständigkeit auch dann, wenn es sich entgegen Art. 6 Buchstabe b (fehlerhaft) nicht für unzuständig erklärt.
bb) Gerichtsstandsvereinbarung fehlt
Rz. 255
Auf Art. 7 Buchstabe a ErbVO kommt es aber in Fällen an, in denen die Parteien keine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben. In diesen Fällen kann sich nämlich das allgemein (über Art. 4 ErbVO oder Art. 10 ErbVO) zuständige Gericht dennoch für unzuständig erklären (Art. 6 Buchstabe a ErbVO). Für dieses Vorgehen muss das Gericht selbst zunächst davon überzeugt sein, dass die Gerichte des Mitgliedstaates des gewählten Rechts in der Sache besser entscheiden können. Hierzu muss es die konkreten Umstände des Falles berücksichtigen, wobei Art. 6 Buchstabe a ErbVO hier beispielhaft den gewöhnlichen Aufenthalt der Parteien und den Ort, an dem die Vermögensgegenstände belegen sind, nennt.
Die Überzeugung des Gerichts allein reicht aber nicht aus, sondern es bedarf zusätzlich ferner des Antrags einer der Vertragsparteien (nicht aller Parteien).
Sind beide Voraussetzunge...