Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 182
Art. 25 ErbVO differenziert zunächst zwischen einseitigen und mehrseitigen Erbverträgen.
aa) Einseitiger Erbvertrag
Rz. 183
Aus deutscher Sicht handelt es sich dabei um einen Erbvertrag, bei dem nur eine der Vertragsparteien vertragsmäßige Verfügungen von Todes wegen trifft (§§ 1941, 2278 BGB), während der Vertragspartner selbst keine Verfügung von Todes wegen anordnet, sondern nur die Annahme erklärt und damit die Bindungswirkung erzeugt; der Erblasser ist dann an die vertragsmäßigen Verfügungen gebunden und kann nicht widerrufen (§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB).
Bei einem solchen einseitigen Erbvertrag, der (in der Terminologie der ErbVO) den Nachlass einer einzigen Person betrifft, gilt Art. 25 Abs. 1 ErbVO; berufen ist also wie beim einseitigen Testament ebenfalls das hypothetische Erbstatut zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses – also entweder das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers, sofern er eine Rechtswahl nach Art. 22 nicht vorgenommen hat bzw. das über Art. 22 gewählte das Heimatrecht).
Wie beim Testament gestattet Art. 25 Abs. 3 ErbVO auch beim Erbvertrag eine isolierte Rechtswahl für die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit. Diesem Recht unterliegen auch die Bindungswirkungen (die nur beim Erbvertrag angesprochen werden, nicht beim Testament).
bb) Mehrseitiger Erbvertrag
Rz. 184
Bei einem mehrseitigen Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Person betrifft, regelt Art. 25 Abs. 2 Unterabsatz 1 ErbVO zunächst die kumulative Anwendung der hypothetischen Erbstatute aller beteiligten Erblasser: Der Erbvertrag ist also nur wirksam, wenn alle beteiligten Rechte den Erbvertrag für wirksam erachten. Welche Rechte das sind, hängt wieder jeweils davon ab, ob die Erblasser (oder einer von ihnen) eine Rechtswahl gem. Art. 22 ErbVO getroffen hatten; ansonsten gilt wieder das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des jeweiligen Erblassers.
Haben alle beteiligten Erblasser den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, ist also deutsches Recht maßgebend; das gilt nur nicht für den Erblasser, der sein Heimatrecht wählt. Hier ist also darauf zu achten, dass insofern eine Rechtswahl unterbleiben sollte, damit nicht unterschiedliche Rechte Anwendung finden (zur Vertragsmäßigkeit einer negativen Rechtwahl vgl. § 4 Rn 61).
Rz. 185
Ist der Erbvertrag nach allen beteiligten Rechten zulässig, richten sich die materielle Wirksamkeit und auch die Bindungswirkungen nach dem Recht, mit dem der Erbvertrag die engste Verbindung hat (Art. 25 Abs. 3 Unterabsatz 2 ErbVO). Eine Vorgabe, nach welchen Kriterien die Frage der engsten Verbindung zu bestimmen ist, enthält die ErbVO allerdings nicht, zu dieser Frage findet sich keine Regelung und auch die Erwägensgründe gehen nicht darauf ein, wie die engste Verbindung zu bestimmen ist. Ob dabei auf die inhaltliche Regelung im Erbvertrag abzustellen ist (spezifische Regelung eines bestimmten Rechts ist angeordnet) oder etwa auf den Abschlussort des Erbvertrages ist daher offen.
Rz. 186
Eine Abhilfemöglichkeit schafft Art. 25 Abs. 3 ErbVO mit der Möglichkeit einer weiteren Rechtswahl: Die Parteien können insoweit für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen des Erbvertrages das Recht des Heimatstaates eines jedes beteiligten Erblassers wählen. Geschieht dies, entfällt das Erfordernis der kumulativen Zulässigkeit nach Art. 25 Abs. 2 Unterabs. 1 ErbVO; das heißt es ist dann gleichgültig, ob alle beteiligten Rechte den Erbvertrag gestatten, sondern es kommt allein darauf an, dass das gewählte Recht den Erbvertrag gestattet. Nicht erforderlich ist, dass alle Erblasser die gleiche Staatsangehörigkeit haben, vielmehr kann das Recht der Staatsangehörigkeit eines der Erblasser auch dann gewählt werden, wenn die anderen Erblasser diese Staatsangehörigkeit nicht besitzen. Zu beachten ist, dass auch diese Rechtswahl isoliert ist, d.h. sie bedeutet insbesondere nicht die Wahl des ansonsten anwendbaren Rechts gem. Art. 22 ErbVO (insofern kann ein Erblasser kein fremdes Recht, sondern nur sein Heimatrecht wählen).
Rz. 187
Bei einem Erbvertrag, an dem ein deutscher Erblasser beteiligt ist, besteht also die Möglichkeit, dass die Parteien über Art. 25 Abs. 3 ErbVO das deutsche Recht für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen wählen. Auf einen späteren Wechsel des anwendbaren Rechts (durch entweder die Rechtswahl nach Art. 22 ErbVO oder Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts) kommt es dann nicht an, deutsches Recht gilt fort. Selbst wenn das "neue" Recht keine Bindungswirkung vorsieht, bleibt es – insbesondere im Hinblick auf die Unwirksamkeit eines Widerrufs – bei den Wirkungen, die das deutsche Recht hervorbringt.
Rz. 188
Dem nach Art. 25 ErbVO berufenen Recht unterliegen nämlich auch die Voraussetzungen der Auflösung des Erbvertrages. Hier liegt ein bedeutender Unterschied zum Testament vor, denn der Widerruf eines Testaments richtet sich (wenn keine Wahl gem. Art. 24 Abs. 2 ErbVO getroffen wurde) nach dem hypothetischen Erbstatut zum Zeitpu...