Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 50
Der Katalog des Art. 23 Abs. 2 ErbVO zählt ferner Regelungsbereiche des Erbstatuts auf, die erklärungsbedürftig sind, nämlich
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die Berufung der Berechtigten, die Bestimmung ihrer jeweiligen Anteile und etwaiger ihnen vom Erblasser auferlegten Pflichten sowie die Bestimmung sonstiger Rechte, einschließlich der Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe b), |
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der Übergang der zum Nachlass gehörenden Vermögenswerte, Rechte und Pflichten auf die Erben und gegebenenfalls die Vermächtnisnehmer, einschließlich der Bedingungen für die Annahme oder die Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses und deren Wirkungen (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe e), |
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die Rechte der Erben, Testamentsvollstrecker und anderer Nachlassverwalter insbesondere im Hinblick auf die Veräußerung von Vermögen und die Befriedigung der Gläubiger, unbeschadet der Befugnisse nach Art. 29 Abs. 2 und 3 (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe f), |
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der verfügbare Teil des Nachlasses, die Pflichtteile und andere Beschränkungen der Testierfreiheit sowie etwaige Ansprüche von Personen, die dem Erblasser nahe stehen, gegen den Nachlass oder gegen den Erben (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe h) |
Rz. 51
Der Begriff des "Berechtigten" (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe b) wird in Erwägungsgrund 47 erklärt: gemeint sind Erben und Vermächtnisnehmer.
Im Hinblick auf den Übergang des Nachlasses auf die Erben und "gegebenenfalls die Vermächtnisnehmer" (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe e) hat die Verordnung berücksichtigt, dass die Figur des Vermächtnisses unterschiedlich ausgestaltet ist (vgl. auch insoweit Erwägungsgrund 47): In verschiedenen Rechtsordnungen erhält der Vermächtnisnehmer nicht nur einen schuldrechtlichen Anspruch wie im deutschen Recht (vgl. § 2174 BGB – Damnationslegat), sondern einen unmittelbaren Anteil am Nachlass, das Vermächtnis wirkt also unmittelbar dinglich (Vindikationslegat).
Rz. 52
Für die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft (ebenfalls Art. 23 Abs. 2 Buchstabe e) ist zusätzlich Art. 28 von Bedeutung, der die Formgültigkeit einer Annahme – oder Ausschlagungserklärung betrifft. Die Erklärung ist formgerecht, wenn sie entweder der Form des von der ErbVO berufenen Erbrechts entspricht oder dem Recht des Staates, in dem der Annehmende/Ausschlagende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Rz. 53
Bei Art. 23 Abs. 2 Buchstabe h der ErbVO – Stichworte: "verfügbarer Teil des Nachlasses, Pflichtteile und andere Beschränkungen" – kommt es nicht darauf an, ob das berufene Recht dem Pflichtteilsberechtigten nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung gewährt (wie das deutsche Recht, vgl. § 2303), oder ob die Pflichtteilsberechtigung als dinglich wirkendes Noterbrecht ausgestaltet ist, so dass ein bestimmter Anteil an der Erbschaft gar nicht zur Disposition des Erblassers steht.
Rz. 54
Der Hinweis auf Art. 29 ErbVO im Hinblick auf die Rechte der "Testamentsvollstrecker und anderer Nachlassverwalter" (Art. 23 Abs. 2 Buchstabe f) betrifft hauptsächlich die common law Staaten. Dort geht der Nachlass mit dem Erbfall nicht auf den/die Erben über, sondern auf einen Nachlassverwalter, der zunächst die Nachlassverbindlichkeiten zu begleichen hat. Erst wenn sich ein Überschuss ergibt, muss der Nachlassverwalter diesen an die Erben auskehren. Die Erben sind also zunächst gar nicht dinglich am Nachlass beteiligt, sondern haben nur Herausgabeansprüche gegen den Nachlassverwalter. Es ist deshalb in den betreffenden Staaten verfahrensrechtlich zwingend erforderlich, dass ein Nachlassverwalter vorhanden ist.
Art. 29 ErbVO betrifft Erbfälle, bei denen kein Nachlassverwalter vorhanden ist, die Nachlassabwicklung aber in einem Land vorgenommen wird, in dem die Nachlassverwaltung verfahrensrechtlich erforderlich ist: In diesem Falle ist den Gerichten die Bestellung eines Nachlassverwalters auch für den Fall erlaubt, dass ein solcher nach dem auf den Erbfall anzuwendenden materiellen Recht nicht vorgesehen ist.
Rz. 55
Da die Erbrechtsverordnung in den beiden großen europäischen common law Staaten – Vereinigtes Königreich und Irland – gerade nicht gilt (und auch nicht angenommen werden kann, dass diese beiden EU-Staaten der ErbVO noch nachträglich beitreten), ist der Anwendungsbereich von Art. 29 ErbVO gering.
Rz. 56
Aus der Positivliste ergibt sich der sachliche Anwendungsbereich: Die VO erfasst sämtlich alle zivilrechtlichen Fragen, die mit der Rechtsnachfolge verbunden sind, z.B. also auch das Pflichtteilsrecht, Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, Enterbung und Erbunwürdigkeit etc.