Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 96
Nicht ausdrücklich geregelt ist das Schicksal einer Schenkung auf den Todesfall. Hier geht es um die Grenzziehung zwischen Schuldrecht und Erbrecht: Mit den Möglichkeiten des Schuldrechts – z.B. Schenkung unter der Bedingung, dass der Beschenkte den Schenker überlebt – könnte der erbrechtliche Erwerb "ausgehebelt" werden, und die Vermögenswerte könnten unter Umgehung des Erbrechts übertragen werden. Damit besteht die Gefahr, dass das erbrechtliche System unterlaufen wird und damit auch die Schutzmechanismen des Erbrechts, wie z.B. das Pflichtteilsrecht und der strenge Formzwang bei Verfügungen von Todes wegen.
Rz. 97
Der deutsche Gesetzgeber hat diese Abgrenzung in § 2301 BGB geregelt, nach dieser Vorschrift finden für Schenkungen auf den Todesfall die Vorschriften über die Verfügungen von Todes wegen Anwendung. Damit muss das Versprechen also in der Form eines Erbvertrages (oder Testaments) erfolgen. Anders ist es nach deutschem Recht nur, wenn die Schenkung zu Lebzeiten des Erblassers vollzogen wurde (§ 2301 Abs. 2 BGB), wenn also der Verlust den Erblasser selbst trifft und nicht erst seine Erben (dann Schenkung).
Rz. 98
Der lebzeitige Vollzug ist hier also das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen der Schenkung einerseits (die nicht der ErbVO, sondern der Rom I VO unterfällt) und der Schenkung auf den Todesfall.
Rz. 99
Geht es um Schenkungen hinsichtlich beweglicher Gegenstände, ergibt sich allerdings in der Regel kein Unterschied im Hinblick auf das anwendbare Recht, egal, ob die Anknüpfung gemäß der Rom I VO oder gemäß der ErbVO erfolgt: Wird die Schenkung den Anknüpfungsregelungen der Rom I VO unterstellt, ist grundsätzlich das Recht des Staates anwendbar, in dem der Schenker (Erblasser) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (siehe oben Rn 93); die Anknüpfungsregeln der ErbVO berufen ebenfalls das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers (Schenkers), berufen ist also jeweils das gleiche Recht, so dass in diesen Fällen nicht entschieden werden muss, wie die Schenkung von Todes wegen einzuordnen ist.
Anderes gilt nur, sofern der Erblasser sein Heimatrecht gewählt hatte (sofern man die Schenkung auf den Todesfall der ErbVO unterwirft) bzw. sofern die Parteien das anwendbare Recht vereinbart hatten (sofern für die Schenkung auf den Todesfall die Regelungen der Rom I VO gelten sollen).
Rz. 100
Unterschiede ergeben sich auch, wenn die Schenkung dingliche Rechte an Immobilien betrifft, denn dann gilt das Erbstatut (Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts oder – bei Rechtswahl – Heimatrecht des Erblassers), sofern man die Schenkung auf den Todesfall der ErbVO unterwirft, während das Recht des Lageortes gilt, wenn man die Regelungen der Rom I VO anwendet. In diesen Fällen muss man sich dem Problem stellen.
Rz. 101
Für eine erbrechtliche Qualifikation der Schenkung auf den Todesfall (bzw. ähnlicher Gestaltungen in anderen Rechten, bei denen der Vermögensverlust nicht den Schenker, sondern die Erben trifft) auch im kollisionsrechtlichen Kontext – und damit der Unterwerfung unter das Erbstatut der ErbVO – spricht vor allem die Ähnlichkeit solcher Vermögensverschiebungen vom Erblasser auf eine andere Person mit/nach dem Tod zu einer solchen durch Erbgang.
Rz. 102
Unterwirft man Schenkungen auf den Todesfall dem Erbstatut (und damit der ErbVO) so sind sie in diesem Rahmen als Vermächtnisse in einem einseitigen Erbvertrag i.S.d. Art. 25 Abs. 1 ErbVO einzuordnen.