Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 197
Ein gemeinschaftliches Testament ist nach der Definition des Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c ErbVO ein von zwei oder mehr Personen in einer einzigen Urkunde errichtetes Testament. Diese Definition betrifft auch den Erbvertrag, denn dieser ist nach Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b ErbVO auch möglich durch eine Vereinbarung "aufgrund gegenseitiger Testamente". Es stellt sich also die Frage der Abgrenzung von gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen, denn Art. 25 ErbVO betrifft nur den Erbvertrag. Nur Art. 25 ErbVO befasst sich auch überhaupt mit der Frage der Bindungswirkung, Art. 24 ErbVO spricht die Frage der Bindungswirkung dagegen gar nicht an.
Rz. 198
Damit stellt sich vorrangig die Frage, ob gemeinschaftliche Verfügungen (aus deutscher Sicht also das gemeinschaftliche Ehegattentestament gem. §§ 2265 ff. BGB aber auch die Testamente von eingetragenen Lebenspartnern gem. § 10 LPartG) Art. 24 oder Art. 25 ErbVO zu unterstellen sind. Nach dem Wortlaut des Art. 25 ErbVO gilt diese Vorschrift nur für Erbverträge, sodass auch gemeinschaftliche Testamente mit wechselbezüglichen Verfügungen, bei denen der Widerruf gem. § 2271 BGB erschwert bzw. ausgeschlossen ist, nicht Art. 25 ErbVO, sondern Art. 24 ErbVO unterfallen. Damit könnte der überlebende Ehegatte die Bindungswirkung des deutschen Rechts durch Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts unterlaufen: Denn das Recht am neuen gewöhnlichen Aufenthalt regelt die Voraussetzungen des Widerrufs, nicht das Recht der Errichtung der Verfügung von Todes wegen (vgl. dazu oben Rn 180). Die Bindungswirkung eines Erbvertrages kann dagegen auf diese Weise nicht unterlaufen werden, weil die Voraussetzungen der Auflösung sich nach dem anwendbaren Recht zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages richten. Durch einen späteren Wechsel kann also die Bindungswirkung beim Erbvertrag nicht beseitigt werden.
Rz. 199
Die Behandlung des gemeinschaftlichen Testaments ist lebhaft umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass ein – zumindest ein deutsches – gemeinschaftliches Testament ein Erbvertrag im Sinne der ErbVO sei; z.T. wird betont, dass ein gemeinschaftliches Testament nicht unter die erbvertragliche Regelung der ErbVO fallen kann.
Die Problematik eines gemeinschaftlichen Testaments, für dessen Testierende unterschiedliche hypothetische Erbstatute gelten, ist nach bisheriger Rechtslage bedeutender als nach zukünftigem Recht. Bislang war das jeweilige Heimatrecht der Testierenden über Art. 25 Abs. 1 EBGB maßgeblich, so dass bei unterschiedlichem Heimatrecht verschiedene Rechte hinsichtlich der Zulässigkeit und Wirkungen des gemeinschaftlichen Testaments berufen waren. Das war besonders in den Fällen problematisch, in denen eines der beteiligten Rechte gemeinschaftliche Verfügungen generell verbietet, wie z.B. das französische und das italienische Recht. In diesen Fällen musste bislang danach unterschieden werden, ob das Verbot als Formverbot anzusehen ist oder ob es sich um ein materiell-rechtliches Verbot des Heimatrechts handelt. Im ersteren Falle war das Verbot unbeachtlich, wenn die Anknüpfung der Form nicht zum Heimatrecht führt, sondern etwa über Art. 26 Abs. 2 EGBGB a.F. das Recht des Ortes gilt, an dem das gemeinschaftliche Testament errichtet wurde. Hatten also z.B. Ehegatten mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit in Deutschland entsprechend den hiesigen Formvorschriften ein gemeinschaftliches Ehegattentestament errichtet, so war – aus deutscher Sicht – die Form gewahrt und das Formverbot des Heimatrechts hat keine Auswirkungen.
Rz. 200
War das Verbot des fremden Rechts dagegen materiell-rechtlicher Natur, so waren die Anordnungen des Ehegatten, für den dieses Recht maßgeblich ist, unwirksam; für die Verfügungen des anderen Ehegatten, der von dem Verbot nicht betroffen ist, stellte sich dann aber die Frage, ob sie ggf. ebenfalls unwirksam sind (etwa bei wechselbezüglichen Verfügungen gem. § 2270 Abs. 1 letzter Hs. BGB), ansonsten waren sie möglicherweise umzudeuten.
Die Frage, ob ein Formverbot oder ein materiell-rechtliches Verbot vorliegt, ist naturgemäß schwer zu beantworten.
Daneben kam es möglicherweise auf die Sicht des ausländischen Rechts an, etwa, wenn sich Vermögensgegenstände im Ausland befinden. Wie das betroffene ausländische Recht mit einem in Deutschland errichteten gemeinschaftlichen Ehegattentestament umgeht, lässt sich kaum, jedenfalls nicht sicher vorhersehen.
Rz. 201
Auch bei der Bindungswirkung hinsichtlich wechselbezüglicher Verfügungen nach deutschem Recht (§ 2271 BGB) entstanden Probleme durch die Anwendbarkeit verschiedener Rechte. Es konnte dazu kommen, dass die Ehegatten in unterschiedlichem Ausmaß gebunden sind, im Extremfall ist der deutsche Ehegatte gebunden, der andere Ehegatte dagegen nicht. Kennt das andere anwendbare Recht keine Bindungswirkung, setzte sich das "schwächere" Recht durch.
Rz. 202
Diese Fallkonstellationen und die daraus resultierenden Probleme werden unter der Geltung der Erb...