Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 161
Sofern die Rechtswahl nicht ausdrücklich erfolgt, kann sie sich auch aus den Regelungen einer Verfügung von Todes wegen ergeben (Art. 22 Abs. 2 ErbVO). Das begünstigt insbesondere den nicht beratenen Erblasser, der sich die Frage nach dem anwendbaren Recht bei Abfassung der Verfügung von Todes wegen gar nicht vorgelegt und etwa sein Heimatrecht als selbstverständlich zugrunde gelegt hatte.
Rz. 162
Welche Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl zu stellen sind, regelt die ErbVO nicht. Nach Erwägensgrund 39 S. 2 kann eine konkludente Rechtswahl darin gesehen werden, dass der Erblasser Bezug auf "spezifische Bestimmungen" des Rechts des Staates dem er angehört, genommen oder das Recht dieses Staates in anderer Weise erwähnt hat.
Rz. 163
Mit dieser Möglichkeit der konkludenten Rechtswahl ist daher eine Verfügung von Todes wegen jeweils auszulegen; ob in den Bestimmungen des Erblassers eine Rechtswahlerklärung zu sehen ist, muss durch Auslegung ermittelt werden.
Allein die Sprache, in der Erblasser die Verfügung von Todes wegen abfasst, wird für die Annahme einer konkludenten Rechtswahl nicht genügen, die gewählte Sprache kann allenfalls ein Indiz sein. Für eine konkludente Rechtswahl des Heimatrechts wird es auch nicht ausreichen, wenn der Erblasser z.B. nur Erbeinsetzungen verfügt hat, denn Erbeinsetzungen sind nicht spezifisch genug, fast jedes Recht sieht die Möglichkeit der Erbenberufung durch Verfügung von Todes wegen vor.
Trifft der der deutsche Erblasser dagegen Regelungen z.B. zur Nacherbfolge, kommt eine konkludente Wahl des deutschen Rechts sicherlich eher in Betracht, auch eine Bezugnahme auf spezifische Regelungen des Heimatrechts führt aber nicht zwingend zu dem Schluss einer konkludenten Rechtswahl, sondern hat allenfalls Indizwirkung für eine gewollte Rechtswahl. Es ist daher ex ante nicht absehbar, ob aus den Regelungen auf eine konkludente Rechtswahl geschlossen werden kann.
Rz. 164
Für die rechtsberatende Praxis ergibt sich daraus, dass eine ausdrückliche Rechtswahlerklärung ein Muss ist, nur so lassen sich Risiken zuverlässig ausschließen.
Zu bedenken ist insofern auch, dass eine negative Rechtswahlerklärung sinnvoll sein kann. Will der Erblasser seine Rechtsnachfolge zwar durch Verfügung von Todes wegen regeln, aber gerade nicht erreichen, dass aus den Regelungen der Verfügung von Todes wegen auf seinen Willen geschlossen wird, sein Heimatrecht zu wählen, sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass keine konkludente Rechtswahl gewünscht ist (dann bleibt es bei der Anwendung des Rechts am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts).
Die Rechtswahlmöglichkeit nach Art. 22 ErbVO setzt nicht voraus, dass das gewählte Recht seinerseits die Möglichkeit einer Rechtswahl vorsieht, wie Erwägensgrund 40 S. 1 klarstellt.