Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 117
Diese Regelungen sind im Zusammenhang mit Art. 31 ErbVO zu sehen, nach dem dingliche Rechte, die das Erbstatut vorsieht, an das "am ehesten vergleichbare Recht anzupassen" sind. Im Zusammenhang mit den Erläuterungen in Erwägensgrund 16 ergibt sich daraus, dass die lex rei sitae (das Recht des Ortes, in dem sich die Sache befindet) Institute des fremden Erbrechts in ihr eigenes Recht (bestmöglich) einzuordnen hat und zwar so, dass die Ziele und Interessen des berufenen Erbrechts berücksichtigt werden. So muss eine dinglich wirkende Teilungsanordnung für das inländische Vermögen als eine schuldrechtlich wirkende Teilungsanordnung begriffen werden und ein gesetzlich entstandener Nießbrauch in die Verpflichtung zur Bestellung eines Nießbrauchs umgedeutet werden.
Rz. 118
Für die Praxis ergibt sich deshalb das – nur auf den ersten Blick vielleicht kuriose Ergebnis – dass z.B. ein Vermächtnisnehmer, dem nach dem beteiligten Erbrecht das Eigentum unmittelbar mit dem Tode des Erblassers zusteht, Eigentümer einer in Deutschland belegenen Nachlasssache erst und auch nur dann wird, wenn der deutsche sachenrechtliche Erwerbsvorgang vorgeschaltet wird. Bei Grundstücken bedarf es also auch in diesem Fall der Auflassung und Eintragung in das Grundbuch als konstitutivem Übertragungsakt, bei beweglichen Gegenständen der Übereignung gemäß § 929 S. 1 BGB. Allerdings wird inzwischen im deutschen Schrifttum diskutiert, ob ein unmittelbarer Direkterwerb des Vermächtnisnehmers bei beweglichen Gegenständen in Frage kommt, soweit es um ein dinglich wirkendes Vermächtnis geht; vereinzelt wird sogar ein unmittelbarer Direkterwerb bei Immobilien für möglich gehalten.
Rz. 119
Geht man – entgegen diesen Überlegungen – mit der überwiegenden Ansicht vom Vorrang des Sachenrechts aus, muss die sachenrechtliche Übereignung erfolgen, bevor der Vermächtnisnehmer Eigentümer einer in Deutschland belegenen beweglichen Sache/einer Immobilie wird. Diese Auffassung bedeutet für die Beratungspraxis auch eine nicht zu unterschätzende Erleichterung: Bei Vermächtnissen muss das Recht in dem betreffenden Staat, nach dessen Recht sich die Erbfolge richtet, nicht daraufhin untersucht werden, ob es Vindikations- oder Damnationslegate vorsieht, weil der Vermächtnisnehmer inländisches Nachlassvermögen immer nur durch Rechtsgeschäft erwerben kann, nämlich durch (sachenrechtliche) Verfügung unter Lebenden
Gleiches gilt für Vermögen in anderen EU-Staaten, die insoweit mit dem deutschen Recht übereinstimmen.
Rz. 120
Schließt man sich dieser Auffassung an, besteht allerdings das Problem, wie der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch durchsetzen kann, wenn der Erbe die Erfüllung verweigert. Auf das deutsche Recht bezogen: Wenn also der nach dem Erbstatut dingliche Vermächtnisnehmer den Erben gemäß § 2174 BGB in Deutschland in Anspruch nimmt, der Erbe aber den vermachten Gegenstand nicht (sachenrechtlich, also nach § 929 ff. bzw. § 873 BGB) überträgt. In Deutschland kann nicht geklagt werden, weil insoweit typischerweise keine internationale Zuständigkeit gegeben ist; die internationale Zuständigkeit besteht vielmehr bei den Gerichten des Mitgliedstaates des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers; dies Recht ist (ohne Rechtswahl des Erblassers) auch das Erbstatut. Eine Klage in diesem Mitgliedstaat muss jedoch erfolglos bleiben, weil nach dem Recht dieses Staates der Vermächtnisnehmer bereits Eigentümer ist.
Rz. 121
Ein ähnliches Problem kann sich im Ausland auch im Hinblick auf deutschrechtliche Institute ergeben. So wird z.B. der deutschrechtliche Vonselbsterwerb des Erben in ausländischen Rechtsordnungen nicht berücksichtigt, die einen Vonselbsterwerb nicht kennen (wie z.B. das österreichische Recht, vgl. dazu § 3 Rn 90 ff.). Der Eigentumserwerb vollzieht sich in diesen Fällen nach dem Erwerbsvorgang, der in dieser Rechtsordnung vorgesehen ist (z.B. durch Einantwortung nach Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens durch das Gericht nach österreichischem Recht).
Rz. 122
Die Ausnahme des Art. 1 Abs. 2 Buchstabe l ErbVO in Bezug auf die Eintragung von Vermögensgegenständen in einem Register einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen konkretisiert die Ausnahme zugunsten des Sachenrechts dahin, dass auch die Voraussetzungen der Eintragung nicht unter die ErbVO fallen. Daraus ergibt sich aus deutscher Sicht der Schutz des Grundbuchs und des Handelsregisters: Die Voraussetzungen für eine Eintragung ergeben sich nicht aus dem nach der ErbVO anwendbaren Erbrecht, sondern unterliegen dem Recht des registerführenden Staates.
Die (formellen) Eintragungsvoraussetzungen für Handelsregistereintragungen aufgrund einer Rechtsänderung durch das Erbrecht richten sich also in Deutschland nach dem HGB (§§ 12, 107, 108 HGB), bzw. der GBO. Diese Ausnahme erklärt sich von selbst, da eine fremde Rechtsordnung nicht regeln kann, wie in einem anderen Staat die Register zu führen sind.