Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
I. Deutsches Kollisionsrecht
Rz. 15
Die ErbVO greift in das deutsche Erbrecht (Sachrecht) nicht ein, d.h., die Normen des 5. Buches BGB (Erbrecht) werden durch die ErbVO also nicht verändert (siehe auch Rn 7); die ErbVO selbst schafft nur neues Kollisionsrecht.
Auf das deutsche Recht bezogen setzt die ErbVO Art. 25 EGBGB (Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Erblassers; Möglichkeit der Wahl des deutschen Rechts für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen) inhaltlich vollständig außer Kraft. Gleiches gilt für das Erbrecht der eingetragenen Lebenspartner, denn Art. 17b Abs. 1 S. 2 EGBGB verweist insoweit auf "die allgemeinen Vorschriften" und damit auf Art. 25 EGBGB.
Rz. 16
Das Gesetz zum Internationalen Erbrecht setzt diese Vorgaben der ErbVO für die Neufassung des EGBGB konsequent um:
▪ |
Art 17b Abs. 1 S. 2 EGBGB wird aufgehoben. |
▪ |
Art 25 EGBGB wird zwar nicht aufgehoben, enthält aber künftig nur einen Auffangtatbestand: Soweit die Rechtsnachfolge von Todes wegen von der ErbVO nicht erfasst ist, finden die Kollisionsregeln der ErbVO entsprechende Anwendung. Da die ErbVO den gesamten Bereich des Erbrechts abdeckt, entspricht die Schaffung des Art. 25 nF nur einem Sicherheitsbedürfnis. Daneben wird nun in Art. 3 EGBGB neben den anderen geltenden EU-Verordnungen auch die ErbVO als insbesondere vorrangig aufgeführt und |
▪ |
in Art. 3a Abs. 2 EGBGB wird nicht mehr auf den Vierten Abschnitt (das Erbrecht) verwiesen, weil die ErbVO hier neue eigenständige Regelungen vorsieht (Art. 30 ErbVO (Sondererbfolge), vgl. dazu § 2 Rn 123). |
Rz. 17
Art. 26 EGBGB (Verfügungen von Todes wegen) ist dagegen von der ErbVO inhaltlich nicht vollständig verdrängt. Der deutsche Gesetzgeber hatte mit Art. 26 Abs. 1–3 EGBGB des bisherigen Rechts das Haager Testamentsformübereinkommen, welches für Deutschland am 1.1.1966 in Kraft getreten ist, unmittelbar übernommen und in das EGBGB eingestellt.
Dieses Vorgehen warf nach bisherigem Recht die Frage auf, wie sich Art. 26 EGBGB zu den Regelungen des Testamentsformübereinkommens verhält, denn gem. Art. 3 Abs. 2 EGBGB gehen Regelungen in völkerrechtlichen Vereinbarungen vor. Die Frage konnte allerdings für die Praxis schon immer vernachlässigt werden, da das anwendbare Recht übereinstimmend geregelt ist. Der Streit, ob die Form über das Testamentsformübereinkommen oder über Art. 26 bestimmt wird, war also rein akademisch. Zu berücksichtigen war insoweit nur, dass bei der Auslegung von Art. 26 Abs. 1–3 EGBGB der staatsvertragliche Charakter dieser Vorschriften verlangt, dass sie nicht nach deutschem Recht ausgelegt werden, sondern autonom (nach dem Testamentsformübereinkommen).
Rz. 18
Die ErbVO hat ihrerseits nämlich ebenfalls das Testamentsformübereinkommen bewusst aufgegriffen und mit Art. 27 der ErbVO die Formgültigkeit einer schriftlichen Verfügung von Todes wegen entsprechend selbst geregelt. Um das Testamentsformübereinkommen zu bewahren, bestimmt Art. 75 Abs. 1 Unterabschnitt 2 der ErbVO, dass Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des Testamentsformübereinkommens sind, hinsichtlich der Formgültigkeit für Testamente und gemeinschaftliche Testamente anstelle des Art. 27 der ErbVO – weiterhin – das Testamentsformübereinkommen anzuwenden haben.
Rz. 19
Bei der Neufassung des Art. 26 Abs. 1 EGBGB wurde das Problem erkannt und – konsequent – von der Übernahme des Textes des Übereinkommens abgesehen. Die Vorschrift des Art 26 EGBGB n.F. verweist nun unmittelbar auf das Testamentsformübereinkommen (Art 26 Abs. 1 S. 2 n.F.). Daneben übernimmt Art. 26 Abs. 1 S. 1 n.F. die bisherige Regelung des derzeitigen Art. 26 Abs. 1 Nr. 5, so dass – wie bisher – über die Anknüpfungen, die das Testamentsformübereinkommen vorsieht, eine weitere alternative Anknüpfung für die Form vorliegt.
Art. 26 Abs. 4 des bisherigen EGBGB betrifft den Erbvertrag, den das Testamentsformübereinkommen nicht regelt; insoweit gilt künftig Art. 27 ErbVO. In der Neufassung des Art. 26 EGBGB bestimmt Abs. 2., dass für die Form anderer Verfügungen von Todes wegen Art. 27 ErbVO gilt, diese Vorschrift hat also nur klarstellenden Charakter.
Rz. 20
Durch die ErbVO verdrängt wird Art. 26 Abs. 5 EGBGB der bisherigen Fassung. Diese Vorschrift hat keine Entsprechung im Testamentsformübereinkommen und betrifft auch nicht die Form von Verfügungen von Todes wegen, sondern deren Gültigkeit im Übrigen (und ihre Bindungswirkung).
Damit gehörte Art. 26 Abs. 5 EGBGB in der bisherigen Fassung – anders als dessen Absätze 1 bis 4 – sachlich zu Art. 25 EGBGB, denn es geht um die Frage, welches Recht für die materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen (z.B. Testierfähigkeit, Testierwille, Zulässigkeit der Stellvertretung) maßgeblich ist. In Abweichung von Art. 25 Abs. 1 EGBGB war nicht das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Todeszeitpunkt anwendbar, sondern das Recht, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser bei der Errichtung der Verfügung von Todes wegen hatte, das hypothetische Erbstatut oder das Errichtungsstatut.
Rz. 21
Artt. 24 und...