Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 128
Die ErbVO strebt einen Gleichlauf hinsichtlich des anwendbaren Rechts und der Internationalen Zuständigkeit an. Die Zuständigkeitsregelungen (Kapitel II der ErbVO) sind auf die Anknüpfungsregeln (Kapitel III der ErbVO) abgestimmt: Grundsätzlich sind die Anknüpfungsregeln mit den Zuständigkeitsregelungen so kombiniert, dass das zuständige Gericht in der Sache regelmäßig kein fremdes Recht anzuwenden hat, sondern sein eigenes Recht anwenden kann.
Rz. 129
Mit Art. 36 bis 38 ErbVO erfolgt auch eine Regelung für den Fall, dass in einem Staat mehrere Rechtsordnungen gelten. Nach Art. 28 der ErbVO gilt für die Anknüpfung jede Gebietseinheit als Staat; d.h. also, dass katalanisches Recht berufen ist, wenn der Erblasser z.B. seinen letzten Wohnsitz in der spanischen Provinz Katalonien hatte.
Rz. 130
Grundsätzlich unterliegt die Rechtsnachfolge gem. Art. 21 ErbVO dem Recht am letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers, der Erblasser kann aber eine Rechtswahl treffen, er kann sein Heimatrecht wählen (Art. 22 Abs. 1 ErbVO).
Sonderanknüpfungen sind für Verfügungen von Todes wegen vorgesehen, und zwar sowohl hinsichtlich ihrer Form als auch hinsichtlich der Zulässigkeit und materiellen Wirksamkeit (Art. 24 bis Art. 27 ErbVO).
Rz. 131
Von großer Bedeutung sind die Regelungen, die Art. 20 ErbVO und Art. 34 ErbVO vorsehen. Nach Art. 20 der ErbVO ist das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts (bzw. das gewählte Heimatrecht) auch dann maßgeblich, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaates ist (sondern das Recht eines Drittstaates). Der Anwendungsbereich der ErbVO ist daher nicht auf den europäischen Rechtsraum beschränkt. Verstirbt also z.B. ein deutscher Erblasser mit letztem gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Schweiz, so unterliegt die Erbfolge dem schweizerischen Recht (sofern der Erblasser keine Rechtswahl vorgenommen hatte; entsprechendes gilt für Dänemark und das Vereinigte Königreich und Irland; diese sind wie Drittstaaten zu behandeln, sofern sich letztere nicht doch noch zum Beitritt entschließen).
Rz. 132
Art. 34 ErbVO bestimmt den grundsätzlichen Ausschluss einer Rück- und Weiterverweisung, denn das nach der Verordnung anwendbare Recht (also das Recht des Staates des letzten gewöhnlichen Aufenthalts) ist ohne Einbeziehung seines IPR anwendbar. Hat der Erblasser das anwendbare Recht gewählt, gilt der Ausschluss der Kollisionsregeln des gewählten Rechts ohne Ausnahme (Art. 34 Abs. 2 ErbVO). Damit wird unmittelbar das Sachrecht (also das Pendant zum BGB) berufen, es erfolgt kein Umweg über das Kollisionsrecht (das Pendant zum EGBGB).
So wird sichergestellt, dass ein Erbfall innerhalb der Mitgliedstaaten immer gleich gelöst wird, unabhängig davon, welches Gericht den Fall entscheidet. Art. 34 ErbVO bringt daher eine ungeheure Erleichterung im Unterschied zur derzeit sehr unübersichtlichen Rechtslage hervor (zu den seltenen Fällen, in denen eine Rück- oder Weiterverweisung nach der ErbVO beachtlich ist siehe Rn 211).
I. Objektive Anknüpfung des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Rechts (ohne Rechtswahl des Erblassers)
Rz. 133
Nach Art. 21 Abs. 1 ErbVO unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hauptanknüpfungspunkt ist daher nicht mehr die Staatsangehörigkeit, sondern in allen Mitgliedstaaten richtet sich in Zukunft die Erbfolge nach dem Recht des letzten Aufenthalts des Erblassers. Das bedeutet für diejenigen Staaten, die bisher an die Staatsangehörigkeit angeknüpft haben – wie Deutschland – eine Kehrtwende.
Rz. 134
Ohne Rechtswahl wird also zukünftig EU-weit an den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers angeknüpft, unabhängig davon, wie lange der Erblasser an diesem Aufenthaltsort lebte.
Für das von der Verordnung gewählte Aufenthaltsprinzip spricht, dass üblicherweise der Mittelpunkt der Lebensinteressen am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers lag und sich dort auch häufig ein Großteil des Nachlasses befindet.
Rz. 135
Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers hat aber auch gravierende Nachteile:
Einmal ist der gewöhnliche Aufenthalt nicht so leicht zu bestimmen – z.B. wenn der Erblasser sich abwechselnd an mehreren Orten aufhält, etwa ein deutscher Rentner mit einer Ferienwohnung auf Mallorca – und nachzuweisen wie die Staatsangehörigkeit.
So weit ersichtlich wird EU-weit die Erteilung eines Reisepasses an die Staatsangehörigkeit geknüpft, d.h. nur Staatsangehörigen eines betreffenden Staates wird der Reisepass dieses betreffenden Staates erteilt. Daraus folgt, dass mit der Vorlage des Passes die Staatsangehörigkeit nicht nur einfach und unproblematisch zu ermitteln, sondern vor allem auch einfach nachzuweisen ist, in der Praxis ein unschätzb...