Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 208
Eine Rück- bzw. Weiterverweisung konnte sich nach bisheriger Rechtslage aus deutscher Sicht ergeben, wenn über Art. 25 Abs. 1 EGBGB (Staatsangehörigkeit des Erblassers) auf ein fremdes Recht verwiesen wurde, weil über Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch das fremde Kollisionsrecht anzuwenden war. Bestimmt das fremde Kollisionsrecht die Anknüpfung an den Wohnsitz des Erblassers, kam es zu einer Rückverweisung, sofern der Erblasser (mit ausländischer Staatsangehörigkeit) seinen Wohnsitz in Deutschland hatte. Hatte er seinen Wohnsitz in einem Drittstaat, kam es zur Weiterverweisung auf das Recht dieses Staates.
1. Ausschluss von Rück- und Weiterverweisungen
Rz. 209
Nach Art. 34 Abs. 2 ErbVO sind derartige Rück- und Weiterverweisungen grundsätzlich ausgeschlossen, denn das anwendbare Recht ist ohne Einbeziehung seines Kollisionsrechts anwendbar. Es wird also unmittelbar das Sachrecht (das Pendant zum BGB) berufen, es erfolgt kein Umweg über das Kollisionsrecht (das Pendant zum EGBGB). Alle Verweisungen sind grundsätzlich Sachnormverweisungen.
Rz. 210
Aus Art. 34 Abs. 2 ErbVO ergibt sich der Ausschluss des Kollisionsrechts in folgenden Fällen:
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Hat der Erblasser das anwendbare Recht gewählt (Art. 22 ErbVO), so ist nur das Sachrecht des betreffenden Staates maßgeblich, nicht dessen Kollisionsrecht. Es spielt also keine Rolle, ob das Kollisionsrecht des Staates des gewählten Rechts eine Rück – oder Weiterverweisungen anordnet, auch wenn das der Fall ist, wird unmittelbar das Sachrecht dieses Staates angewendet. Das gilt auch, wenn der Erblasser das Recht eines Drittstaates gewählt hat (also das Recht eines Nicht-Mitgliedstaates). |
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Hat der Erblasser das anwendbare Recht nicht gewählt, ist über Art. 21 Abs. 1 ErbVO das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt maßgeblich. Ist ausnahmsweise über Art. 21 Abs. 2 ErbVO wegen der offensichtlich engeren Verbindung des Erblassers zu einem anderen Recht auf dieses Recht abzustellen, so ist nur das Sachrecht beachtlich. |
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Auch bei den (alternativen) Verweisungen des Art. 27 ErbVO für die Form der schriftlichen Verfügung von Todes wegen ist jeweils nur das Sachrecht anwendbar, nicht das Kollisionsrecht. |
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Gleiches gilt für die Formgültigkeit bestimmter Erklärungen. Nach Art. 28 Buchstabe b ErbVO wird dafür – alternativ zu dem Recht, welches auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden ist – auf das Recht des Staates verwiesen, in dem der Erklärende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Kollisionsregeln dieses Rechts sind nicht anwendbar. |
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Auch im Hinblick auf die Sondererbfolgen, die sich gem. Art. 30 ErbVO gegenüber dem ansonsten anwendbaren Recht durchsetzen, gilt der Ausschluss des Kollisionsrechts. |
2. Beachtlichkeit von Rück- und Weiterverweisungen
Rz. 211
Rück- und Weiterverweisungen sind jedoch gem. Art. 34 Abs. 1 ErbVO beachtlich, soweit es um Drittstaaten (auch Dänemark, Großbritannien und Irland) geht.
Lag der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers in einem Drittstaat, so wendet der Drittstaat seinerseits die ErbVO nicht an, sondern vielmehr sein eigenes nationales Recht, insbesondere sein eigenes nationales Kollisionsrecht. Würde auch hier die ErbVO nur auf das Sachrecht und nicht das Kollisionsrecht des berufenen Drittstaates verweisen, käme es zu unbefriedigenden Ergebnissen, weil nach der ErbVO das Sachrecht des Drittstaates anwendbar wäre, nach dessen Kollisionsrecht die Erbfolge aber womöglich einem anderen Recht (eines Mitgliedstaats oder eines Viertstaates) unterliegt. Nach der ErbVO wäre dann ein Recht anwendbar, welches selbst nicht angewendet werden will. Die Anknüpfung wäre damit willkürlich und das Ergebnis – das für die Erbfolge anwendbare Recht – wäre gerade nicht dasjenige Recht, welches der Drittstaat seinerseits zugrunde legt.
Rz. 212
Beispiel:
Ein deutscher Erblasser verstirbt mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Florida (USA), hinterlässt aber ein Grundstück in Deutschland. In diesem Fall verweist das Kollisionsrecht von Florida für den unbeweglichen Nachlass auf das deutsche Recht zurück. Beriefe die ErbVO nur das Sachrecht von Florida, würde der Erblasser auch im Hinblick auf das Grundstück in Deutschland nach dem Erbrecht von Florida beerbt werden, obwohl die Gerichte in Florida insoweit deutsches Recht anwenden.
Rz. 213
Rück- und Weiterverweisungen durch das Kollisionsrecht eines Drittstaates sind gem. Art. 34 Abs. 1 ErbVO dann beachtlich, wenn
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entweder auf das Recht eines Mitgliedstaates zurückverwiesen wird (Art. 34 Abs. 1 Buchstabe a) |
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oder auf das Recht eines anderen Drittstaates verwiesen wird, der sein eigenes Recht anwenden würde (die Verweisung also annimmt; Art. 34 Abs. 1 Buchstabe b) |
Ist das Recht eines Drittstaates deshalb anwendbar, weil der Erblasser dieses gewählt hatte, ordnet Art. 34 Abs. 2 ErbVO die Nichtbeachtung des Kollisionsrechts an. Rück- und Weiterverweisungen durch das Kollisionsrecht eines Drittstaates sind also nur beachtlich, wenn der Erblasser den gewöhnlichen Aufenthalt im Drittstaat hatte, und dieses Recht deshalb anzuwenden ist.
In einem solchen Fall fehlt es an der grundsätzlichen Internationalen Zuständigke...