Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 108
Art. 1 Abs. 2 Buchstabe k ErbVO nimmt die Art der dinglichen Rechte aus, und Art. 1 Abs. 2 Buchstabe l ErbVO nimmt jede Eintragung von Rechten in einem Register einschließlich der gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung, sowie die Wirkung der Eintragung vom Anwendungsbereich aus.
Rz. 109
Bei diesen Ausnahmen zum Anwendungsbereich der ErbVO geht es um den sehr sensiblen Bereich der Abgrenzung des Erbrechts einerseits und des Sachenrechts andererseits.
So unterliegt die Erbfolge im bislang geltenden deutschen Recht dem Art. 25 EGBGB, also dem Recht, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß (Erbstatut). Ist der Erblasser Ausländer, so ist dementsprechend ausländisches Recht berufen. Befinden sich nun Nachlassgegenstände im Inland, werden die inländischen Gegenstände dem ausländischen Erbrecht unterworfen. Andererseits unterliegen aber die Rechte an einer Sache dem Sachenrecht des Ortes, an dem sich die Sache befindet (lex rei sitae). Dieser Grundsatz gilt – zumindest für unbewegliche Gegenstände – seit dem Mittelalter; einer derart gewachsenen und gefestigten Grundregel folgen daher fast alle Rechtsordnungen (weltweit), in den meisten Rechtsordnungen – wie auch im deutschen Recht – gilt die Regel darüber hinaus auch für bewegliche Sachen (vgl. für das deutsche Recht Art. 43 EGBGB).
Rz. 110
Das Sachenrecht (also das Recht am Lageort des Grundstücks/der beweglichen Sache, die lex rei sitae) bestimmt dabei insbesondere, welche dinglichen Rechte überhaupt an der Sache entstehen können (numerus clausus der Sachenrechte), aber auch, wie ein dingliches Recht an einer Sache entsteht (numerus clausus der dinglichen Erwerbstatbestände).
Die Problematik der Abgrenzung Erbrecht/Sachenrecht tritt auf, wenn das anwendbare Erbrecht und das anwendbare Sachenrecht nicht einer Rechtsordnung zu entnehmen sind, sondern verschiedenen Rechtsordnungen. Weicht das Erbrecht vom anwendbaren Sachenrecht ab, kommt es zum Konflikt. Der Konflikt entsteht insbesondere in Fällen, in denen das – ausländische – berufene Erbrecht Figuren anordnet, die dem – inländischen – Sachenrecht fremd sind und die deshalb vom Sachenrecht gar nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres umgesetzt werden können.
aa) Dinglich wirkende Vermächtnisse (Vindikationslegate)
Rz. 111
Besonders plastisch wird der Konflikt bei Immobilien, die sich in Deutschland befinden, aber einem ausländischen Eigentümer gehören, der nun stirbt und über Art. 25 Abs. 1 EGBGB bislang gemäß seinem ausländischen Heimatstaat beerbt wurde. Hier muss das deutsche Sachenrecht mit seinen strengen Formvorschriften, dem Formzwang und insbesondere dem Grundbuchrecht, welches mit dem materiellen Recht in einem funktionalen Zusammenhang steht, berücksichtigt werden.
Rz. 112
Das zeigt sich insbesondere, wenn das anwendbare Erbrecht einem Vermächtnis dingliche Wirkung beimisst (sog. Vindikationslegate, wie z.B. nach einige Rechtsordnungen des romanischen Rechtskreises). Dem deutschen Recht ist die dingliche Wirkung eines Vermächtnisses fremd, nur der Erbe erwirbt mit dinglicher Wirkung (§ 1922, § 1942 BGB), nicht der Vermächtnisnehmer. Der Vermächtnisnehmer erwirbt mit dem Erbfall nach deutschem Recht nur einen schuldrechtlichen Anspruch (§ 2174 BGB, sog. Damnationslegat).
Rz. 113
Der Anspruch des Vermächtnisnehmers ist nach deutschem Recht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zu erfüllen (bei Grundstücken durch Einigung und Eintragung, § 873 BGB, bei beweglichen Gegenständen gemäß § 929 S. 1 BGB). Ein Vindikationslegat ist deshalb mit der inländischen Sachenrechtsordnung nicht vereinbar; insoweit geht das Sachenrecht dem Erbrecht vor, denn ein ausländisches erbrechtliches Rechtsinstitut kann nicht – am Sachenrecht am Lageort vorbei – unmittelbare Rechtsänderungen herbeiführen, die das anwendbare Sachenrecht gar nicht vorsieht.
Rz. 114
Das Vindikationslegat eines ausländischen Erbrechts hat deshalb keine dinglichen Wirkungen auf Vermögensgegenstände in Deutschland (inzwischen mehren sich aber Stimmen, die einen unmittelbaren Rechtserwerb aufgrund eines ausländischen Vindikationslegats auch an in Deutschland belegenen Nachlassgegenständen anerkennen wollen, dazu siehe Rn 118 ff.), sondern entfaltet hier nur schuldrechtliche Wirkungen; es ist also in ein schuldrechtlich wirkendes Vermächtnis des deutschen Rechts umzudeuten – mit folgender Konsequenz: Obwohl der Vermächtnisnehmer also nach dem anwendbaren Erbrecht bereits mit dem Erbfall unmittelbar Eigentümer geworden ist, erfordert das deutsche Sachenrecht, dass der so vermachte inländische Gegenstand entsprechend den inländischen sachenrechtlichen Bestimmungen rechtsgeschäftlich vom Erben auf den Vermächtnisnehmer übertragen wird.
bb) Dinglich wirkende Teilungsanordnungen
Rz. 115
Die gleichen Grundsätze gelten, sofern ein ausländisches Erbrecht nicht nur die Anteile der Erben bestimmt, sondern dinglich wirkend...