Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 279
Eine Besonderheit sieht Art. 13 ErbVO für die Zuständigkeit zur Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft, eines Vermächtnisses, eines Pflichtteils oder Erklärungen zur Begrenzung der Haftung für Nachlassverbindlichkeiten vor. Um das Verfahren für die betroffenen Erben (und Vermächtnisnehmer) zu vereinfachen, können diese die Erklärungen zur Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft (oder eines Vermächtnisses sowie auch die Erklärungen zur Begrenzung der Haftung) auch bei einem Gericht des Mitgliedstaates abgeben, in dem sie selbst ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Rz. 280
Die Vorschrift erinnert an § 344 Abs. 7 FamFG des deutschen Rechts; diese Vorschrift erlaubt die Ausschlagung des Erben vor seinem Wohnsitzgericht und stellt deswegen eine Ausnahme zur Zuständigkeit des grundsätzlich zuständigen Nachlassgerichts (gem. § 343 FamFG) dar.
Rz. 281
Voraussetzung für die Zuständigkeit der Gerichte zur Entgegennahme dieser Erklärungen ist, dass die betreffende Erklärungen sowohl nach dem anwendbaren Erbrecht als auch nach dem Recht des Staates, in dem die Erklärung abgegeben werden soll, vor Gericht abgegeben werden kann/muss.
Aus deutscher Sicht betrifft dies die Erbschaftsausschlagung gem. § 1945 BGB (sowie die Anfechtung von Annahme oder Ausschlagung, § 1955 BGB). Nicht erfasst werden, die Übergabe eines Nachlassinventars (§ 1993 BGB, § 2004 BGB) sowie die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Erben gem. § 2006 Abs. 1 BGB.
Rz. 282
Ein deutsches Gericht ist danach also für die Entgegennahme dieser Erklärungen auch dann zuständig, wenn der Erklärende seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, auch wenn ansonsten keine deutsche Zuständigkeit aufgrund der Artt. 4 ff. ErbVO begründet ist.
Art. 28 ErbVO stellt darüber hinaus klar, dass die Ausschlagung etc. in diesem Falle formwirksam ist, wenn entweder die Voraussetzungen des anwendbaren Rechts oder die Voraussetzungen des Rechtes des Staates eingehalten werden, in dem die Ausschlagung erfolgt (auf das obige Beispiel bezogen: Es müssen also die Formvorschriften des anwendbaren Rechts oder des deutschen Rechts – § 1945, § 1955 BGB – gegeben sein, wenn die Ausschlagung in Deutschland erfolgt).
Hat der Erbe den gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, kann er alternativ die Ausschlagungserklärung in Deutschland als auch in dem Staat abgeben, dessen Zuständigkeit nach Artt. 4 ff. ErbVO begründet ist. Eine Zuständigkeit anderer Staaten wird dagegen nicht begründet; es ist ihm daher verwehrt, die Ausschlagung dort zu erklären, wo er sich gerade befindet, denn Art. 13 ErbVO stellt auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Erben ab. Einen Mitteilungsmechanismus – wie er z.B. nach deutschem Recht durch die Mitteilungspflicht des gem. § 344 Abs. 7 FamFG zuständigen Gerichts an das Nachlassgericht im Sinne des § 343 FamFG vorgesehen ist –, sieht die ErbVO nicht vor.
Rz. 283
Aus Erwägensgrund 32 ergibt sich zwar, dass das Problem gesehen wurde, der Erklärende ist aber darauf verwiesen, das allgemein zuständige Gericht selbst "davon in Kenntnis zu setzen, dass derartige Erklärungen abgegeben wurden". § 31 IntErbRVG setzt diese Vorgaben der Gestalt um, dass das Nachlassgericht die Entgegennahme der Erklärung in öffentlich beglaubigter Form auf der Urschrift der Ausschlagungserklärung vermerkt und die Urschrift der Urkunde dem Erklärenden aushändigt, damit dem Erklärenden der Nachweis der Ausschlagung beim allgemein zuständigen Gericht ermöglicht wird.
Art. 13 ErbVO betrifft im Übrigen nur die dort erwähnten Erklärungen, andere Erklärungen genießen keinen Sonderstatus, sondern müssen in dem Staat abgegeben werden, der nach Art. 4 ff. ErbVO zuständig ist. Aus deutscher Sicht handelt es sich dabei z.B. um die Erklärung der Anfechtung von Anordnungen eines Testaments (§ 2081 BGB; § 2281 BGB); Annahme, Ablehnung oder Kündigung des Testamentsvollstreckeramts (§ 2202 Abs. 2, 2226 S. 2 BGB), Anzeige des Eintritts der Nacherbfolge (§ 2146 Abs. 1 BGB) sowie eines Erbschaftsverkaufs oder eines ähnlichen Geschäfts (§ 2384 Abs. 1, § 2385 BGB).