Rz. 86
Die Gebührenabrechnung auf der Grundlage einer Zeitvereinbarung ist mittlerweile in der Praxis üblich. Im erbrechtlichen Mandat wird die Zeitvereinbarung bevorzugt, weil sie den angemessenen Ausgleich zwischen Arbeitsaufwand und der Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts darstellt. Speziell im Bereich der beratenden Tätigkeit kann durch die Anknüpfung an den Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten wie auch den Rechtsanwalt selbst die Höhe der Vergütung nachvollziehbarer werden. Insoweit fängt die Zeitvereinbarung die Schwachstelle der Pauschalvereinbarung auf. Allerdings ergeben sich bei der Zeitvereinbarung ebenfalls Probleme.
Rz. 87
Bei der Zeitvereinbarung sieht sich der Rechtsanwalt mit der fehlenden Durchsetzbarkeit seiner Gebührenansprüche im Streitfall konfrontiert. Der Rechtsanwalt muss stets den Nachweis des geleisteten und damit abzurechenden Zeitaufwands erbringen. Damit im Einzelnen ein Streit unterbunden wird und der Nachweis gelingt, sollte der Rechtsanwalt
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ein auch den Mandanten überzeugendes System der Zeitaufzeichnung (Zeittaktklausel, Höhe des Stundensatzes sowie Dokumentation) besitzen und |
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ein Vertrauensverhältnis zu dem Mandanten aufbauen, damit ein Streit über die geleisteten Stunden nicht aufkommt. |
a) System der Zeitaufzeichnung
Rz. 88
Bei der Frage nach einem überzeugenden System der Zeitaufzeichnung für den Mandanten muss der Rechtsanwalt im Einzelfall die Festlegung eines angemessenen Abrechnungsintervalls, die Angemessenheit des Stundensatzes sowie die hinreichende Dokumentation beachten.
Rz. 89
Zunächst sollte der Rechtsanwalt eine transparente Abrechnung mit dem Mandanten eine Zeiteinheit – Tage oder Stunden – festgelegen, nach der im Einzelfall abgerechnet werden soll. Bei einer Abrechnung nach Stunden sollte festgelegt werden, wie viele Minuten eine Stunde als Abrechnungseinheit besitzt und welche Zeiteinheit berechnet werden soll, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter einer Stunde liegt. In der Praxis wird hier in der Regel eine Abrechnung im Viertelstundentakt vorgenommen. Diese Abrechnungspraxis wird insbesondere in der unterinstanzlichen Rechtsprechung als eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten im Sinne von § 307 BGB gewertet, sofern es um eine formularmäßige Klausel geht. Die Abrechnung jeder angefangener Minuten eines Viertelstundentakts führt zu einer Verletzung des Äquivalenzprinzips von Leistung und Gegenleistung sowie zu einer eigensüchtigen Aufblähung des Zeitaufwands ohne Rücksicht auf das Wirtschaftlichkeitsgebot. Hierzu führt das Oberlandesgericht Düsseldorf aus:
Zitat
"Die Zeittaktklausel (Nr. 1 Satz 2 Honorarvereinbarung) verstößt gegen § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG (jetzt § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB), weil sie strukturell geeignet ist, das dem Schuldrecht im Allgemeinen und dem Dienstvertragsrecht im Besonderen zugrunde liegende Prinzip der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung (Äquivalenzprinzip) empfindlich zu verletzen, wodurch der Gegner des Formular-Verwenders (künftig Verwendungsgegner genannt) unangemessen benachteiligt wird."
Rz. 90
Der Bundesgerichtshof hat die Frage nach der Unangemessenheit einer solchen Klausel bis Februar 2020 offengelassen. Im Februar 2020 hat er entschieden, dass eine formularmäßig vereinbarte Fünfzehn-Minuten-Zeittaktklausel nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB jedenfalls im Rechtsverkehr mit Verbrauchern unwirksam ist. Der Bundesgerichtshof begründet seine Entscheidung insbesondere damit, dass der Mandant beim Abschluss von anwaltlichen Vergütungsvereinbarungen typischerweise in besonderem Maße schutzbedürftig ist:
Zitat
"Bei dem Vertragsgegenstand der Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten (§ 3 I BRAO) handelt es sich um eine immaterielle Leistung, deren Wert er kaum ermessen kann. Hinzu kommt die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Mandant und Rechtsanwalt hinsichtlich der Erfolgsaussichten der Rechtssache sowie des zu ihrer sachgerechten und möglichst erfolgreichen Betreuung erforderlichen Aufwands. Wie viel Zeit der Rechtsanwalt tatsächlich aufwendet, sieht der Mandant nicht. Dem unredlichen Rechtsanwalt eröffnen sich umfangreiche Missbrauchsmöglichkeiten. Eine – auch formularmäßig vereinbarte – Abrechnung nach dem Zeitaufwand wird hierdurch zwar nicht ausgeschlossen. Der Senat hat die individualvertragliche Vereinbarung eines Stundenhonorars bisher für unbedenklich gehalten, wenn diese Honorarform unter Würdigung der Besonderheiten des Einzelfalls sachgerecht erschien und die geltend gemachte Bearbeitungszeit sowie der ausgehandelte Stundensatz angemessen erschien. Nichts anderes gilt im Grundsatz für die Vereinbarung eines Zeithonorars in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ein Zeithonorar, welches zusätzlich ein...