Rz. 101
Gemäß § 4a Abs. 1 S. 1 RVG a.F. darf ein Erfolgshonorar (§ 49b Abs. 2 S. 1 BRAO) nur für den Einzelfall und nur dann vereinbart werden, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Eine Legaldefinition der Erfolgsvereinbarung findet sich in § 49b Abs. 2 BRAO:
(2) 1Vereinbarungen, durch die eine Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird oder nach denen der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrags als Honorar erhält (Erfolgshonorar), sind unzulässig, soweit das RVG nichts anderes bestimmt.
2Vereinbarungen, durch die der Rechtsanwalt sich verpflichtet, Gerichtskosten, Verwaltungskosten oder Kosten anderer Beteiligter zu tragen, sind unzulässig.
3Ein Erfolgshonorar im Sinne des Satzes 1 liegt nicht vor, wenn lediglich vereinbart wird, dass sich die gesetzlichen Gebühren ohne weitere Bedingungen erhöhen.
aa) Abschluss eines Erfolgshonorars
Rz. 102
Das Erfolgshonorar kann als Fremdkörper, im Hinblick auf die Möglichkeit eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, angesehen werden. Durch diesen Ausnahmecharakter bedarf es einer Einzelfallprüfung der Zulässigkeit der Vereinbarung erfolgsbasierter Vergütungen. Aus dem Erfordernis der Einzelfallprüfung ergibt sich für den Rechtsanwalt eine doppelte Einschränkung:
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einerseits darf der Rechtsanwalt nicht für alle ihm angetragenen Mandate oder regelmäßig in den ihm angetragenen Mandaten ein Erfolgshonorar vereinbaren, wodurch nicht alle Mandanten von vornherein als potentielle Auftraggeber eines Erfolgshonorars angesehen werden können, |
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andererseits darf der Rechtsanwalt nicht für alle Mandate eines Auftraggebers ausnahmslos ein Erfolgshonorar vereinbaren. |
Rz. 103
Infolge dieser Einschränkungen darf der Rechtsanwalt keine Werbung mit der generellen Bereitschaft, Erfolgshonorare zu vereinbaren, schalten bzw. den Mandanten bei der Mandatsannahme darauf hinweisen, dass es bei ihm üblich sei, dass ein Erfolgshonorar vereinbart wird. Der Abschluss eines Erfolgshonorars muss auf den Einzelfall beschränkt bleiben.
Rz. 104
Neben der Einzelfallprüfung kommt der Abschluss eines Erfolgshonorars nur in Betracht, wenn der Mandant aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten wird. Insoweit können nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die durch das Verbot des Erfolgshonorars verfolgten Gemeinwohlziele zurücktreten, sofern das Verbot anwaltlicher Erfolgshonorare zu einem Hindernis für den Zugang zum Recht führt.
Zitat
"Dieses strikte, ausnahmslose Verbot einer erfolgsbasierten Vergütung beeinträchtigt nicht nur die Vertragsfreiheit der Rechtsanwälte und ihrer Auftraggeber, es führt aufgrund seines umfassenden Geltungsanspruchs vielmehr auch zu nachteiligen Folgen für die Wahrnehmung und Durchsetzung der Rechte des Einzelnen."
Rz. 105
In erster Linie soll den mittellosen Auftraggebern, die von der Inanspruchnahme von Prozesskosten- und Beratungshilfe ausgeschlossen sind, der Zugang zum Recht über das Erfolgshonorar ermöglicht werden. Der unbemittelte Rechtssuchende ist daher als Prototyp von § 4a RVG anzusehen, wodurch bedürftige Auftraggeber ausgeschlossen sind, denen der Zugang zum Recht bereits über die Prozesskosten- bzw. Beratungshilfe ermöglicht wird.
Rz. 106
Allerdings soll der Anwendungsbereich von § 4a RVG nicht auf den bedürftigen Auftraggeber beschränkt bleiben, vielmehr können auch Rechtssuchende, die aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine Prozesskostenhilfe oder Beratungshilfe beanspruchen können, vor der Frage stehen, ob es ihnen die eigene wirtschaftliche Lage vernünftigerweise erlaubt, die finanziellen Risiken einzugehen, die angesichts des unsicheren Ausgangs der Angelegenheit mit der Inanspruchnahme qualifizierter rechtlicher Betreuung und Unterstützung verbunden sind. Hierdurch wird dem Mandanten ermöglicht, das bestehende Risiko des Prozessverlustes durch die Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung zumindest teilweise auf den vertretenden Rechtsanwalt zu verlagern. Insoweit ist daher nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Auftraggebers, sondern das mit der Verfolgung seiner Rechte verbundene wirtschaftliche Risiko entscheidend. Entsprechend können die Voraussetzungen von § 4a Abs. 1 S. 1 RVG vorliegen, wenn der Auftraggeber um Vermögensrechte streitet, die den einzigen oder wesentlichen Bestandteil seines Vermögens – beispielsweise ein hoher Erbanteil – ausmachen.
Rz. 107
In zeitlicher Hinsicht kann in der Regel eine erfolgsabhängige Vergütungsvereinbarung nur vor der Annahme eines Mandats abgeschlossen werden. Entsprechend sah das Anwaltsgericht Köln den Abschluss einer erfolgsabhängigen Vergütungsvereinbarung als unzulässig an, wenn der Abschluss der Vergütungsvereinbarung erst erfolgt...