Rz. 141
Die Bearbeitung erbrechtlicher Mandate ist aufgrund der rechtlich schwierigen Materie und der vergleichsweise hohen Gegenstands-/Streitwerte für den Rechtsanwalt mit nicht unerheblichen Haftungsrisiken verbunden. So birgt allein bereits die große Anzahl der durch den Rechtsanwalt im Rahmen der Bearbeitung zu beachtenden Gestaltungs- und Verjährungsfristen, wie auch seine umfassenden Aufklärungspflichten und Belehrungspflichten, die Gefahr einer Haftung. Aus der erbrechtlichen Praxis kommen folgende Beispiele als anwaltliche Pflichtverletzung in Betracht:
▪ |
Sofern der Mandant einen aufschiebend bedingten Vermächtnisanspruch auf Übereignung eines Grundstücks hat, muss der Rechtsanwalt prüfen, ob dieser Anspruch durch Eintragung einer Vormerkung gesichert werden kann und sollte. |
▪ |
Der Rechtsanwalt begeht eine Pflichtverletzung, wenn er im Rahmen einer Stufenklage vor einer Entscheidung über den vorrangigen Auskunftsanspruch die Klageforderung erhöht, weil er die Rechtslage zur Verjährung verkennt und den Mandanten über die Aussichtslosigkeit und Überflüssigkeit der Klageerhöhung nicht belehrt. Er haftet für die damit verbundenen Mehrkosten. |
▪ |
Eine Pflichtverletzung kann auch dadurch begründet werden, dass der Rechtsanwalt den Auftraggeber nicht auf eine bevorstehende Ausschlagungsfrist bzw. auf einen damit ggf. einhergehenden Verlust des Pflichtteilsanspruchs – mit Ausnahme der §§ 2306, 2307 BGB und § 1371 Abs. 3 BGB – hinweist. |
▪ |
Ist ein Mandant mit seiner Ehefrau durch einen Erbvertrag verbunden und beauftragt er aufgrund einer gescheiterten Ehe den Rechtsanwalt, nach Lösungsmöglichkeiten von der erbvertraglichen Alleinerbeinsetzung zu suchen, darf sich der Rechtsanwalt nicht auf die Möglichkeit eines Scheidungsverfahrens (§§ 2279, 2077 BGB) im Einzelfall beschränken, sondern muss – wie im entschiedenen Fall – auch auf die Möglichkeit einer notariell beurkundeten Rücktrittserklärung vom Erbvertrag hinweisen. |
▪ |
Bei einer Testamentserrichtung und einer Unternehmensnachfolge ist es erforderlich, die Nachfolgeklausel in Gesellschaftsverträgen und die Testamente so abzustimmen, dass den in den Gesellschaftsverträgen genannten Unternehmensnachfolgern auch erbrechtlich der Unternehmensanteil zufällt. |
▪ |
Schließlich muss bei der anwaltlichen Haftung im Erbrecht die Haftungserweiterung durch den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beachtet werden. Beispielsweise hat ein "Wunscherbe" einen Schadensersatzanspruch gegen den Anwalt in Höhe des entgangenen Erbes aus dem Beratervertrag zwischen Erblasser und Anwalt, sofern der Erblasser eine bestimmte Person zum Erben einsetzen wollte, das Testament jedoch wegen eines anwaltlichen Fehlers nicht aufgesetzt worden ist. |
Auch wenn jeder Rechtsanwalt nach § 51 BRAO zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung zumindest mit einer Mindestversicherungssumme von 250.000 EUR für jeden Versicherungsfall verpflichtet ist, kann sich dies – gerade in Erbrechtsmandaten – als überhaupt nicht ausreichend erweisen.
Rz. 142
Durch einen Haftungsfall kann daher durchaus die wirtschaftliche Existenz des Rechtsanwalts bedroht sein. Sollte sich bei Prüfung des Haftungsrisikos herausstellen, dass die Haftpflichtversicherungssumme nicht ausreicht, ist anzuraten, eine Klärung des Haftpflichtrisikos mit dem Mandanten herbeizuführen. Zu denken wäre auch an den ausdrücklichen Ausschluss einer Haftung für steuerliche Beratung oder Sachverhalte mit Bezug zu ausländischen Rechtsvorschriften (Ausschluss der Beratungspflicht für bestimmte Rechtsgebiete). Weiterhin hat der Rechtsanwalt die Möglichkeit, seine Haftung gegebenenfalls zu beschränken. Einerseits kann der Rechtsanwalt seine Haftung dadurch begrenzen, dass er den Pflichtenkreis begrenzt, also sein Mandat – beispielsweise auf einen Anspruch oder einen bestimmten Prozess – beschränkt. Andererseits kann der Rechtsanwalt seine Haftung, in den von § 52 BRAO genannten Fällen, individualvertraglich oder durch vorformulierte Vertragsbedingungen begrenzen, wobei aber nur vertragliche und nicht deliktische Ansprüche begrenzt werden und sich die Begrenzung nicht auf die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Testamentsvollstrecker bezieht. Für das Amt des Testamentsvollstreckers empfiehlt Schneider u.a., eine eigene Versicherung für das Amt abzuschließen. Die Haftung kann auch durch die Wahl einer gesellschaftsrechtlichen Rechtsform beschränkt werden.
Rz. 143
Gemäß § 52 BRAO kann der Anspruch des Auftraggebers aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis auf Ersatz eines fahrlässig verursachten Schadens beschränkt werden:
▪ |
durch schriftliche Vereinbarung im Einzelfall bis zur Höhe der Mindestversicherungssumme in Höhe von 250.000 EUR (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 BRAO); |
▪ |
durch vorformulierte Vertragsbedingungen für Fälle einfacher Fahrlässigkeit auf den vierfachen Betrag der Mindestversicherungssumme, wenn insoweit Versicherungsschutz besteht (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 ... |