Rz. 52
Gem. § 23 Abs. 4 S. 1 WEG ist ein Beschluss nichtig, der gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. Diese Bestimmung beinhaltet im Ergebnis nicht mehr und nicht weniger als einen Hinweis auf die Geltung der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über die Nichtigkeit von Rechtsgeschäften. Nichtig ist also z.B. ein Beschluss, der gegen die guten Sitten verstößt (§ 138 BGB), wobei dieser Nichtigkeitsgrund in der Praxis kaum eine Rolle spielt. Zur Nichtigkeit kann auch der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) führen, wobei es allerdings auf den jeweiligen Beschlussgegenstand und das jeweilige Gesetz ankommt; der Gesetzesverstoß im Einzelfall führt meistens nicht zur Nichtig-, sondern nur zur Anfechtbarkeit (→ § 2 Rdn 8). Eine gewisse eigenständige Bedeutung unter den Nichtigkeitsgründen hat der vorsätzliche Verstoß gegen die Mitwirkungsrechte von Wohnungseigentümern; der gezielte Ausschluss einzelner Eigentümer von einer Eigentümerversammlung führt zur Nichtigkeit aller auf der Versammlung gefassten Beschlüsse (→ § 7 Rdn 59). Einen Verstoß gegen unverzichtbare Rechtsvorschriften stellt auch die Beschlussfassung ohne Beschlusskompetenz dar. Dieser erst im "Jahrhunderturteil" des BGH vom 20.9.2000 (→ § 2 Rdn 3) "entdeckte" Nichtigkeitsgrund ist von derart überragender Bedeutung, dass die anderen Nichtigkeitsgründe in den Hintergrund treten bzw. darin aufgehen. Das gilt insbesondere für den "Eingriff in den Kernbereich des Wohnungseigentums", der bei den Nichtigkeitsgründen zuvor die Hauptrolle spielte. Da es für Beschlüsse mit einem in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreifenden Inhalt regelmäßig an der Beschlusskompetenz fehlt, ist der "Kernbereichseingriff" im Großen und Ganzen mit der fehlenden Beschlusskompetenz gleichzusetzen.
Rz. 53
Fehlt dem Beschluss die notwendige Bestimmtheit, ist er nichtig, wenn er überhaupt keine durchführbare Regelung mehr erkennen lässt, insbesondere wenn er in sich widersprüchlich ist; andernfalls ist er nur anfechtbar. Beispiele für unbestimmte Beschlüsse: Hausordnungsklauseln (→ § 3 Rdn 46); Erhaltungsmaßnahmen (→ § 4 Rdn 20), Gestattung baulicher Maßnahmen (→ § 4 Rdn 86, Beispiel d); Rückbauaufforderung (→ § 4 Rdn 110). Ob ein Beschluss ausreichend bestimmt ist, ist nach den für seine Auslegung maßgeblichen Grundsätzen zu beurteilen: Er muss seinen Regelungsgehalt "aus sich heraus" erkennen lassen, wobei aber die Bezugnahme auf Dokumente (Anlagen) zulässig ist (→ § 2 Rdn 17). Die Rspr. machte sich in den letzten Jahren teilweise geradezu einen Sport daraus, die Anforderungen an die Bestimmtheit immer höher zu schrauben. Wenn man diesen Ansprüchen genügen will, sind auch alltägliche Beschlüsse ohne fachanwaltliche Hilfe kaum mehr anfechtungssicher zu formulieren. Dabei wird verkannt, dass ein verbleibendes Maß an Unbestimmtheit im Zuge der Beschlussdurchführung vielfach durch den Verwalter ausgefüllt werden kann und darf. Weil die Gemeinschaft die Entscheidung von Details eines Beschlusses durchaus delegieren darf, steckt in einem vermeintlich unbestimmten Beschluss häufig eine (zulässige) Delegation an den Verwalter, die Details festzulegen.