Rz. 75
Durch eine Vereinbarung regeln die Wohnungseigentümer "ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von Vorschriften des Gesetzes" (§ 10 Abs. 3 S. 1 WEG). Ihrer Rechtsnatur nach ist die Vereinbarung ein Vertrag aller Miteigentümer, ihrem Zweck nach ist sie darauf gerichtet, die Innenbeziehungen der Wohnungseigentümer untereinander zu regeln und ähnlich einer Satzung die Grundlage für das Zusammenleben der Wohnungseigentümer zu bilden.
Rz. 76
Wenn alle Miteigentümer einer Regelung zugestimmt haben, kann die Abgrenzung zum Beschluss schwierig sein, denn es kann sowohl eine Vereinbarung als auch ein Beschluss vorliegen. Die Einordnung ist wichtig, denn davon hängt es ab, ob und mit welchen Mehrheiten später eine Änderung erfolgen kann. In welche Kategorie die Regelung fällt, ist Auslegungsfrage. Dabei ist nach einer Meinung auf den Inhalt der Regelung abzustellen. Dafür spricht immerhin der Wortlaut des § 23 Abs. 1 WEG, wonach Angelegenheiten, über die per Beschluss entschieden werden kann, durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet werden. Demnach wäre bei Angelegenheiten, für die eine Beschlusskompetenz besteht – also insbesondere die laufende Verwaltung betreffend –, grundsätzlich ein Beschluss anzunehmen, während bei den Angelegenheiten, die eine Vereinbarung erfordern, letztere anzunehmen wäre. Nach einer anderen, m.E. zutreffenden Auffassung ist nicht der Inhalt, sondern das Verfahren maßgeblich. Vorbehaltlich besonderer Einzelfallumstände ist deshalb als Grundsatz davon auszugehen, dass Abstimmungen in einer Eigentümerversammlung einen Beschluss und nicht eine Vereinbarung hervorbringen.
Rz. 77
Die Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes stellen bereits eine "Grundordnung" zur Verfügung, auf deren Basis eine Gemeinschaft problemlos existieren kann. Trotzdem ist es üblich, im Anschluss an die sachenrechtliche Teilungserklärung eine sog. Gemeinschaftsordnung aufzustellen, die in Wiederholung, Ergänzung oder Abweichung vom Gesetz eine für diese Gemeinschaft geltende spezielle Grundordnung oder Satzung darstellt. Der Begriff taucht im Gesetz nicht auf; er hat sich aber eingebürgert. Die Gemeinschaftsordnung hat zwingend die Rechtsnatur einer Vereinbarung, was zur Folge hat, dass sie – vorbehaltlich gesetzlicher oder vereinbarter Beschlusskompetenzen – auch nur durch Vereinbarung geändert werden kann. Das gilt auch dann, wenn die Gemeinschaft – wie es der Regelfall ist – durch Teilungserklärung entstand und die Gemeinschaftsordnung somit nicht auf einer Vereinbarung beruht, sondern auf der einseitigen Erklärung des teilenden Alleineigentümers; ab dem Zeitpunkt, zu dem die im Grundbuch verankerte Teilungserklärung vom Bauträger nicht mehr einseitig abgeändert werden kann (→ § 2 Rdn 119), steht sie einer Vereinbarung gleich. Die vom Bauträger herrührende Gemeinschaftsordnung wird daher nicht zu Unrecht als die "mit Abstand undemokratischste Rechtsnorm in unserem Staate" bezeichnet.
Rz. 78
Nach der Entstehung der Gemeinschaft kann eine nachträgliche Vereinbarung getroffen werden. Das setzt die Einigung sämtlicher Miteigentümer voraus. Gehört eine Wohnung mehreren Personen (etwa Ehegatten), genügt es nicht, wenn eine davon zustimmt; vielmehr müssen alle zustimmen. Die Einigung kann grundsätzlich jederzeit und an jedem Ort erfolgen, also auch außerhalb einer Eigentümerversammlung und theoretisch sogar durch schlüssiges Verhalten (→ § 2 Rdn 85). Hinsichtlich Form und Wirkung ist zu unterscheiden: Ohne Grundbucheintragung bedarf die Vereinbarung keiner Form; daran gebunden sind dann aber nur die jeweiligen Parteien der Vereinbarung. Gegenüber Rechtsnachfolgern (Erwerbern) wirkt eine Vereinbarung hingegen grundsätzlich nur dann, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums in das Grundbuch eingetragen ("verdinglicht") wurde (§ 10 Abs. 3 S. 1 WEG). Normalerweise ist die mit der "Verdinglichung" einhergehende dauerhafte Wirkung das Ziel der Parteien einer Vereinbarung. Indes: So einfach der Abschluss einer Vereinbarung ohne Grundbucheintragung ist, so aufwändig ist er mit Grundbucheintragung; Einzelheiten werden unten (→ § 2 Rdn 86) erörtert. Weil seit dem Jahr 2000 aber Öffnungsklauseln in Teilungserklärungen üblich sind, kommt es immer seltener vor, dass die Wohnungseigentümer die Mühen einer Vereinbarung auf sich nehmen müssen.
Rz. 79
Ausnahmsweise kann eine Vereinbarung bei Veräußerung einer Wohnung auch ohne Grundbucheintragung Wirkung für und gegen den Rechtsnachfolger erlangen. Der Erwerber kann sich auf die Vereinbarung berufen und mit Zustimmung der übrigen Miteigentümer in sie "eintreten", muss es aber nicht. Die nicht im Grundbuch eingetragene Vereinbarung wird in dem Zeitpunkt hinfällig, in welchem der Erwerber zu erkennen gibt, dass er sich an sie nicht gebunden fühlt.
Rz. 80
Beispiel
Zu einer aus zwei Einheiten bestehenden Gemeinschaft gehören zwei im Gemeinschaftseigentum stehende Garagen. Die Miteigentümer A und B treffen ein...