1. Der Umlaufbeschluss (Beschluss außerhalb einer Versammlung)
a) Allstimmiger Umlaufbeschluss gem. § 23 Abs. 3 S. 1 WEG
Rz. 21
Gem. § 23 Abs. 3 S. 1 WEG ist ein Beschluss auch ohne Versammlung gültig, wenn alle Eigentümer ihre Zustimmung dazu in Textform erklären. Wenn eine Wohnung mehreren Personen gehört, z.B. Ehegatten, müssen alle (Bruchsteils-)Eigentümer (also z.B. beide Ehegatten) zustimmen. Sogar solche Eigentümer müssen zustimmen, die einem Stimmrechtsausschluss unterliegen. Das bis zur WEG-Reform 2020 maßgebliche Schriftformgebot (das gem. § 126 Abs. 1 BGB die "eigenhändige Unterschrift" erforderte) ist entfallen. Es genügt also, die Zustimmungen bspw. per E-Mail oder über eine Nachricht auf einem Internetportal einzuholen.
Rz. 22
Die Initiative kann von jedem Wohnungseigentümer ausgehen, aber auch vom Verwalter. Das Verfahren kann praktisch in zwei Varianten durchgeführt werden: Der Initiator kann ein einziges Schreiben (auf Papier) mit dem Beschlussvorschlag fertigen und darauf die Zustimmungserklärungen sammeln, indem das Schreiben von Wohnungseigentümer zu Wohnungseigentümer weiter gereicht wird; das wird aber wohl nur in kleinen Gemeinschaften funktionieren. Die andere Variante besteht darin, dass ein Schreiben (bzw. eine elektronische Nachricht) gleichlautend an alle Wohnungseigentümer gesandt wird. Im einen wie im anderen Fall muss der Initiator für den Rücklauf eine Frist setzen, sonst bliebe unklar, wie lange bis zur Ergebnisverkündigung gewartet wird; analog § 24 Abs. 4 S. 2 WEG muss die Frist mindestens drei Wochen betragen. Nach dem Zugang einer Zustimmungserklärung beim Initiator kann diese nicht mehr widerrufen werden (str.). Wie jeder Beschluss wird auch der Umlaufbeschluss erst mit der Feststellung bzw. Verkündung des Beschlussergebnisses wirksam. Die Feststellung erfolgt hier im Wege einer an alle Wohnungseigentümer gerichteten Mitteilung. Ein Zugang der Mitteilung bei jedem einzelnen Eigentümer ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt jede Form der Unterrichtung (etwa durch einen Aushang oder ein Rundschreiben), die den internen Geschäftsbereich des Feststellenden verlassen hat, und bei der mit einer Kenntnisnahme durch die Wohnungseigentümer gerechnet werden kann. Soweit teilweise vertreten wird, der Beschluss sei analog § 24 Abs. 6 WEG in eine "Niederschrift" aufzunehmen und zu unterschreiben, kann dem nicht zugestimmt werden: Die Vorschrift gilt ausdrücklich nur für "in der Versammlung gefasste" Beschlüsse; ein praktisches Bedürfnis besteht auch nicht. Wurde der Beschluss fehlerhaft festgestellt, z.B. weil nicht alle Zustimmungen in der richtigen Form vorlagen, ist er zwar anfechtbar, aber nicht nichtig; die Allstimmigkeit ist keine unverzichtbare Entstehungsvoraussetzung.
Rz. 23
Muster 2.1: Initiative eines allstimmigen Umlaufbeschlusses durch die Verwaltung
Muster 2.1: Initiative eines allstimmigen Umlaufbeschlusses durch die Verwaltung
Sehr geehrte Frau B,
Ihr Miteigentümer Herr A möchte auf seiner Sondernutzungsfläche ein Gartenhäuschen errichten und ist mit der Bitte an uns herangetreten, das Verfahren der schriftlichen Beschlussfassung (sog. Umlaufbeschluss gem. § 23 Abs. 3 S. 1 WEG) zu organisieren. Wenn Sie dem Antrag zustimmen möchten, bitten wir um unterzeichnete Rücksendung des im Anhang befindlichen Beschlussformulars per Post oder E-Mail bis zum [mindestens drei Wochen Frist]. Sie können uns auch eine entsprechende (formlose) elektronische Nachricht zukommen lassen. Wenn Sie die vorliegende Nachricht per E-Mail erhalten, können Sie bspw. unter Verwendung der Antwortfunktion schreiben: "Diesem Antrag stimme ich/stimmen wir zu". Wenn Sie nicht zustimmen wollen, brauchen Sie nichts zu unternehmen.
Der Beschluss kommt nur zustande, wenn alle Eigentümer fristgerecht in Textform zugestimmt haben. Über das Ergebnis werden wir Sie unterrichten.
Mit freundlichen Grüßen
N.N. Verwalter
Anhang:
Beschluss im Umlaufverfahren gem. § 23 Abs. 3 S. 1 WEG der Wohnungseigentümergemeinschaft Heinestr. 12, 75234 Musterstadt
Antrag:
Dem Miteigentümer A wird gestattet, auf der zu seiner Wohnung Nr. 14 gehörenden Sondernutzungsfläche ein Gartenhäuschen nach Maßgabe des diesem Antrag beigefügten Prospektbildes mit den Maßen (B x T x H) 290 x 240 x 250 cm zu errichten. Der genaue Ort der Aufstellung ist im beigefügten Lageplan (Datum 24.5.2022) verzeichnet.
Diesem Antrag stimme ich/stimmen wir zu.
(Wohnungsnummer, Datum, Name und Unterschrift – bei mehreren Wohnungseigentümern bitte von allen)
Rz. 24
Rechtsschutz bei fehlenden Zustimmungen. Wenn im vorstehenden Musterfall alle Eigentümer bis auf einen die Zustimmung erklären, stellt sich für den "bauwilligen" Herrn A die Frage, ob und wie er die fehlende Zustimmung erzwingen kann. Wenn man annimmt, Herr A habe gem. § 20 Abs. 3 WEG einen Anspruch auf Gestattung des geplanten Gartenhäuschens (fernliegend), würde es naheliegen, dass er nur denjenigen Miteigentümer gerichtlich auf Zustimmung in Anspruch nehmen müsste, dessen Zustimmung fehlt. Eine solche Klage wäre nach Auffassung des LG München I aber unbegründet: "Verweigert ein Wohnungseigentümer die Zustimmu...