a) Keine Gesamtrechtsnachfolge
Rz. 46
Mit einiger Sicherheit ist dem dürren Satz der Gesetzesbegründung nur zu entnehmen, dass die im bisherigen Recht für die Beendigung der Wohnungseigentümergemeinschaft vorgesehene Fortführung durch den Eigentümer aller Einheiten nicht fortgesetzt werden soll. Aus dem dort verwendeten Begriff der "Liquidation des Gemeinschaftsvermögens" geht zumindest hervor, dass das vorhandene Vermögen zur Begleichung der Verbindlichkeiten genutzt werden soll. Der Eigentümer aller Einheiten wird also anders als bisher nicht zum faktischen Gesamtrechtsnachfolger der Wohnungseigentümergemeinschaft, der Vermögen und Verbindlichkeiten nunmehr als Rechtsnachfolger abwickelt.
b) Liquidator und Verfahren
Rz. 47
Gänzlich offen bleibt, wer diese Liquidation in welchem Verfahren durchführen soll. Gesetz und Gesetzesmaterialien bieten hierfür abgesehen vom kryptischen Verweis auf "allgemeine Grundsätze" nicht den leisesten Hinweis. Am ehesten wird man die Wohnungseigentümergemeinschaft als fortbestehend behandeln dürfen, bis sie vollständig abgewickelt ist. In diesem Falle würde sie von ihrem letzten Verwalter weiter vertreten, was der Verwalterschaft völlig neue und risikoträchtige Aufgaben zuweist. Ebenso offen bleibt, in welcher Reihenfolge die Gläubiger bei dürftigem Gemeinschaftsvermögen zu befriedigen sind. Der durch § 9a Abs. 5 WEG in das neue Recht übernommene Ausschluss des Insolvenzverfahrens macht nur klar, dass keine gleichmäßige Verteilung nach Quoten erfolgen wird. Der Verwalter wird als Liquidator also keinen Fehler machen, wenn er Gläubiger nach dem Prioritätsprinzip bedient. Allerdings setzt die Beendigung der Wohnungseigentümergemeinschaft keine Überschuldung o.ä. voraus, so dass es konsequenterweise an Regelungen fehlt, die eine Benachteiligung einzelner Gläubiger verhindern. Nach derzeitigem Stand bleibt es also folgenlos, wenn der Verwalter als Liquidator nicht nach dem Prioritätsprinzip vorgeht.
c) Vorgehen bei verbleibenden Verlusten oder Überschüssen
Rz. 48
Ebenso unklar bleiben Gesetz und Gesetzesmaterialien für den Fall, dass nach der Liquidation Verluste oder Überschüsse verbleiben, was die Regel sein dürfte. Dies wird (juristisch) noch zu verkraften sein, wenn die Verbindlichkeiten der Wohnungseigentümergemeinschaft ihr Vermögen übersteigen. Dann fallen die Gläubiger eben aus. Anders steht es bei einem Restvermögen nach Begleichung der Verbindlichkeiten, da das WEMoG im Gegensatz zum früheren Recht keine Rechtsnachfolge des Eigentümers aller Einheiten vorsieht. In der Folge kommt es zu der einmaligen Konstruktion eines inhaberlosen Vermögens. Man wird den abstrusen Folgen dieser ungenügenden Regelung nur dadurch entgehen können, dass man bei der regelmäßig erfolgenden Übertragung des restlichen Gemeinschaftsvermögens auf den Eigentümer aller Einheiten eine konkludente Vereinbarung annimmt. Die Übertragung von Grundeigentum, etwa ein der Wohnungseigentümergemeinschaft gehörendes Nachbargrundstück, lässt sich auf diesem formfreien Wege allerdings nicht bewerkstelligen. Hier bedarf es der Einigung und Auflassung in der Form des § 29 GBO.
d) Widerspruch zur fortdauernden Insolvenzunfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft
Rz. 49
Letztlich wird es durch diese gesetzliche Regelung zu einem erheblichen Vertrauensverlust auf Seiten der Vertragspartner von Wohnungseigentümergemeinschaften kommen. Denn bislang sicherte ihre in § 11 Abs. 3 WEG a.F. geregelte und inhaltsgleich in § 9a Abs. 5 WEG übernommene Insolvenzunfähigkeit nicht zuletzt ihre Kreditwürdigkeit. Der Gläubiger konnte darauf vertrauen, unabhängig von der Zusammensetzung der Wohnungseigentümergemeinschaft auf einen "unsterblichen" Schuldner zurückgreifen zu können. Selbst der nach früherem Recht vorgesehene Fall der Vereinigung aller Wohnungseigentumsrechte in einer Hand und die damit einhergehende Auflösung der Wohnungseigentümergemeinschaft änderte hieran nichts. Denn dann blieb der Eigentümer aller Einheiten als Schuldner. Nunmehr führt alleine der Antrag des Eigentümers aller Einheiten nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 WEG zum ersatzlosen Wegfall des Schuldners. Dies kann selbst in finanziell gut ausgestatteten Wohnungseigentümergemeinschaften, bei denen der Rechtsverkehr nicht mit wirtschaftlichen Problemen rechnet, zu Ausfällen der Gläubiger führen. Denn der Eigentümer aller Einheiten kann die Ausschüttung der Rücklagen durch allenfalls anfechtbaren Beschluss herbeiführen und anschließend den Antrag nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 WEG auf Schließung der Wohnungsgrundbücher stellen. Dem Gläubiger geht dann ohne jede Vorwarnung etwa in Form verzögerter Zahlungen der Schuldner verloren.
e) Neue Bedeutung der Haftung nach § 9a Abs. 4 WEG (§ 10 Abs. 8 WEG a.F.)
Rz. 50
Vor diesem Hintergrund gewinnt die früher in § 10 Abs. 8 WEG a.F. angeordnete Haftung der einzelnen Wohnungseigentümer für die Wohnungseigentümergemeinschaft neue Bedeutung. Denn der Gläubiger kann auf diesem Wege auf den Eigentümer aller Einheiten zurückgreifen. Gleichwohl dürften sich nach einem Verkauf der Liegenschaft rein praktische Probleme ergeben, die allerdings allerdings auch nach § 10 Abs. 7 S. 4 WEG a.F. stellten. Besonders...